Voraussichtliche Lieferzeit im Onlinehandel
„Ihr Zug hat eine voraussichtliche Verspätung von 10 Minuten.“ Diesen Satz kennt jeder Pendler und Bahnfahrer nur allzu gut. Was der genervte Bahn-Kunde außerdem weiß: Bei diesen „voraussichtlichen 10 Minuten“ bleibt es meist nicht! Doch nicht nur im Bahnverkehr sorgt diese Formulierung für Unruhe. Im eCommerce kann „voraussichtlich“ nun auch zu jeder Menge Ärger für Onlinehändler führen. Lesen Sie, warum die richtige Wortwahl das Zünglein an der Waage ist, die Online-Händler teuer zu stehen kommen kann.
Achtung, Abmahnung!
Das Webshop-Business ist gespickt mit rechtlichen Fallstricken. Überall lauern neue Ungereimtheiten und Paragraphenfallen. Jetzt wird´s wieder kompliziert – dank dem Wörtchen „voraussichtlich“: Wenn Online-Händler nicht sofort liefern können, müssen sie eine „voraussichtliche Versanddauer“ angeben. Dazu sind die Unternehmer laut § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 7 EGBGB sogar gesetzlich verpflichtet.
Doch Vorsicht: Aktuell werden immer mehr Händler auf Amazon für diese Formulierung abgemahnt, denn die zeitliche Prognose, die sich hinter dem schwammigen Adjektiv verbirgt, ist zu ungenau. Der Kunde könnte durch seine subjektive Einschätzung seine Lieferung zu einem anderen Termin erwarten, als der Händler dies beabsichtigt. Also alles eine Frage der Auslegung.
Komplizierter geht’s immer
So weit, so verständlich – aber jetzt wird’s kurios: Die Formulierung „Lieferzeitraum ca. 1-3 Werktage“ ist wiederrum völlig legitim. Nicht sehr logisch, denn „circa“ ist nicht viel eindeutiger als „voraussichtlich“. Auf Rechtschinesisch formuliert stellt sich der Fall also so dar: Das OLG München genehmigt gemäß dem Beschluss vom 08.10.2014 (Az.: 29 W 1935/14) die Verwendung der Lieferzeitangabe „ca. 1-3 Werktage“. Nach Ansicht des OLG Bremen verstoße aber die Angabe „voraussichtliche Versanddauer“ gegen § 308 Nr. 1 BGB, weil die Angabe dem Verwender eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung ermögliche. In die Praxis umgesetzt bedeutet das für alle Online-Händler, dass sie die „voraussichtliche Lieferung“ schnellst möglich aus ihrem eCommerce-Wortschatz streichen und durch ein „ca.“ ersetzen sollten.
Anders läuft´s leider für Amazon-Händler – und hier kommt der Webshop-Clou: Amazon sieht das alles ganz anders. Sie halten die umstrittene Formulierung „für rechtlich in keiner Hinsicht zu beanstanden“. „Voraussichtlich“ und „circa“ setzten sie einfach gleich als eine „rein objektive Einschätzung der Versanddauer“. Ein ganz schön starkes Stück ist auch die von Amazon automatisierte Angabe hinsichtlich der Versanddauer: Diese Angaben sind fest vorgegeben, sodass dem Verkäufer keine andere Möglichkeit bleibt, als eine der festgelegten Optionen auszuwählen. Unterteilt nach Versandart und Zielland findet sich dann dort die Angabe: „Voraussichtliche Versanddauer: x-y Werktage“. Online-Händler sollten sich nicht mit dieser Einschränkung abfinden und den Plattformbetreiber aktiv zu einer praxisgerechten Lösung bzw. Handlungsanweisung drängen.
Zack Zack, raus aus der Abmahnfalle!
Also, liebe Online-Händler: Auf der To-Do Liste steht jetzt das Überprüfen eurer Versandangaben auf vergleichbare Formulierungen. Damit könnt ihr das Risiko auf eine Abmahnung deutlich mindern. Wer aber in den undurchsichtigen Wirren des Webshop-Zirkus keine rechtlichen Risiken eingehen will, kann sich mit der exali.de Webshop-Versicherung absichern. Damit können sich Online-Händler umfassend gegen die geschäftlichen Fallstricke im eCommerce schützen. Hierzu gehören insbesondere Schadenersatzforderungen von Dritten, wie sie z.B. durch eine Verletzung von Urheber- und Wettbewerbsrechten entstehen können.
Weiterführende Informationen:
- Aus gut gemeint wird teuer: Werbung mit versichertem Versand ist nicht erlaubt!
- Wer den Webshop hat, hat die Qual? Wenn die EU im Onlinehandel mitmischt
- Mobile Shops: Worauf Webshop-Betreiber achten müssen, damit ihr Paradestück nicht zur Risikoschleuder wird
© Vanessa Materla – exali AG