Müssen Onlinehändler telefonisch erreichbar sein? Neuigkeiten aus dem EuGH-Verfahren gegen Amazon
Müssen Shopbetreiber eine Telefonnummer angeben? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einer Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen gegen Amazon. Nach dessen Ansicht verstößt der Internetriese nämlich gegen europäisches Recht, weil auf seiner Website keine Telefonnummer zu finden ist. Wie die Richter in diesem Fall entscheiden, ist eine spannende Frage für alle Onlinehändler. Und es tut sich was beim EuGH…
Update 10.07.2019: EuGH-Urteil gefallen
Der EuGH hat sein Urteil gefällt: Onlinehändler müssen nicht zwingend telefonisch erreichbar sein! Gleichzeitig machten die Richter jedoch deutlich, dass Unternehmen Kommunikationsmittel bereitstellen müssen, über die sie schnell und effizient erreichbar sind. Dafür können sie jedoch auch andere Wege nutzen, zum Beispiel ein elektronisches Kontaktformular, einen Chat oder ein Rückrufsystem. Eine bestimmte Art der Kontaktaufnahme, zum Beispiel per Telefon, ist nach europäischem Recht aber nicht vorgeschrieben. Wie es zu dem Urteil kam, können Sie im Folgenden nachlesen.
Verbraucherschützer gegen Amazon
Der Rechtstreit Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) vs. Amazon zog sich in Deutschland bereits durch alle Instanzen. Die Verbraucherschützer werfen Amazon vor, seinen Informationspflichten gegenüber seinen Kunden nicht nachzukommen. Konkret geht es darum, dass das Unternehmen keine Faxnummer auf seiner Webseite angibt und eine Telefonnummer erst nach mehreren Schritten zu finden ist. Dass Amazon stattdessen einen Rückrufservice und einen Online-Chat anbietet, reicht nach Ansicht des VZBV nicht aus, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Alles dreht sich um eine EU-Richtlinie
Bei der „gesetzlichen Vorgabe“ geht es um die EU-Richtlinie 2011/83/EU, die Unternehmer verpflichtet, in klarer und verständlicher Weise ihre Anschrift und „gegebenenfalls“ ihre Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen. Und wie so oft kommt es bei der Auslegung dieser Richtlinie auf einen kleines Detail an, nämlich auf das Wort „gegebenenfalls.“
BGH fordert Hilfe beim Europäischen Gerichtshof an
Da es zu der Richtlinie noch keine europarechtliche Rechtsprechung gibt, hat der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem das Verfahren letztendlich landete, eine Stellungnahme des EuGH angefordert. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie das Wort „gegebenenfalls“ auszulegen ist. In Brüssel hat sich daraufhin Generalanwalt Giovanni Pitruzella mit der EU-Richtlinie und deren Auslegung befasst – und dieser kommt zu einem Schluss, der alle Onlinehändler freuen dürfte.
Generalanwalt setzt auf „zeitgemäße Kommunikation“
Denn, so der Generalanwalt, klar sei zwar, dass Verbraucher möglichst gut geschützt werden müssen und bei Fragen sofort ein Ansprechpartner erreichbar sein müsse, jedoch müsse das nicht zwangsläufig über das Telefon möglich sein. Andere zeitgemäße Optionen – wie ein automatisches Rückrufsystem oder ein Online-Chat – seien ebenfalls zulässig. Die in der Richtlinie aufgezählten Kommunikationsmittel (Telefon, Fax und Mail) seien lediglich beispielhaft.
Kurz gesagt: Nach Meinung des Generalanwalts sind Händler nicht verpflichtet, eine Telefon-Hotline einzurichten. Wichtig sei nur, dass Verbraucher aus mehreren Kommunikationsmitteln wählen können und dass diese klar verständlich auf der Webseite beschrieben sind. Und noch etwas stellte Pitruzella fest: Es verstößt gegen EU-Recht, wenn Deutschland Unternehmen vorschreibt, Verbrauchern generell eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen!
„Telefonpflicht“ für Onlinehändler hat vermutlich bald ein Ende
Doch wie geht es jetzt weiter? In einigen Wochen wird der EuGH in dem Fall eine Entscheidung fällen. Er muss sich dabei zwar nicht an die Empfehlung des Generalanwalts halten, tut es jedoch in den meisten Fällen. Anschließend muss der Bundesgerichtshof unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung ein Urteil in dem Rechtstreit zwischen VZBV und Amazon fällen. Experten gehen davon aus, dass der EuGH die Meinung des Generalanwalts übernehmen wird und dann müssen Onlinehändler zukünftig keine Telefonnummer mehr bereitstellen, sie können selbst wählen, wie sie mit ihren Kunden kommunizieren wollen.
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