Werkvertrag oder Dienstvertrag: Augen auf bei der Vertragswahl!
Wer selbständig ist, sollte im besten Fall auch ein kleines Stück weit Rechtsexperte sein; zumindest was die eigenen Verträge betrifft. Denn der Teufel steckt auch hier im Detail! Ein Fall vor dem Landgericht Köln zeigt eindrucksvoll, dass ein genauer Blick auf die geschlossenen Verträge - egal ob der Selbständige Auftraggeber oder Auftragnehmer ist – nicht nur eine Menge Ärger, sondern auch Geld sparen kann.
Heute werfen wir auf unserer InfoBase einen genaueren Blick auf die Vertragslage im Business.
Drum prüfe, wer sich bindet
Werkvertrag oder Dienstvertrag, das ist hier die Frage…. Nicht immer ergibt sich aus der erbrachten Leistung automatisch auch die Art des Vertrages. In vielen Businessbereichen gibt es hier Grauzonen, so wurde in der Vergangenheit zum Beispiel häufig vor Gericht gestritten, ob es sich bei SEO-Aufträgen um Werk- oder Dienstverträge handelt. Doch zu Beginn erst mal „back to basics“:
Werkvertrag und Dienstvertrag:
Bei einem Werkvertrag schuldet der Auftragnehmer dem Auftraggeber – wie der Name schon sagt – ein konkretes Werk. Das bedeutet: Der Kunde bezahlt den Auftraggeber für ein konkretes Ergebnis/Erfolg, zum Beispiel einen Imagefilm über sein Unternehmen. Wird dieser Erfolg nicht wie vereinbart erreicht (das Werk nicht wie vereinbart erstellt), kann der Kunde Minderung oder Schadenersatz fordern, beziehungsweise sogar ganz vom Vertrag zurücktreten.
Bei einem Dienstvertrag wird hingegen kein konkretes Werk vereinbart, sondern eine Leistung, zum Beispiel eine Beratungsleistung. Der Auftragnehmer verpflichtet sich diese Leistung nach bestem Können zu erbringen, ein konkreter Erfolg wird jedoch nicht vereinbart.
Ein Blick in den Vertrag
Das Landgericht Köln (LG Köln) hatte kürzlich die Frage zu klären, ob es sich bei einem Agenturvertrag um einen Dienst- oder eben einen Werkvertrag handelt. Im verhandelten Fall hatte eine zukünftige Webshop-Betreiberin mit einer Agentur einen Vertrag geschlossen, der aus einer "Internetagentur-Flatrate" und einer "Onlinemarketing-Flatrate" bestand. Für 24 Monate sollte die Webshop-Betreiberin 4.400 Euro monatlich an die Agentur bezahlen, in dieser Pauschale war laut Vertrag ein Stundenkontingent von 575 Arbeitsstunden enthalten.
Ein genauerer Blick auf den Vertrag ist an dieser Stelle notwendig, denn das Urteil der Richter gründet sich am Ende logischerweise auf dessen Inhalt. Im Vertrag selbst stand geschrieben, dass die beiden Parteien einen Dienstvertrag schließen; dieser Satz ist letzten Endes aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung der Richter.
Die enthaltenen "Onlinemarketing-Flatrate“ war in der Pauschale mit 2.990 Euro angegeben und enthielt Leistungen wie Projektmanagement, Beratung, Konzeption / Strategie, Online-Werbemittel (z.B. Banner), Suchmaschinenoptimierung (SEO)….
Die „Internetagentur-Flatrate“ enthielt „alle Leistungen der o.g. Onlinemarketing-Flatrate sowie folgende Eigenleistungen im Bezug auf alle Internet-Aktivitäten: Projektmanagement, Beratung, Konzeption / Strategie, Kreation / Gestaltung / Layout / Reinzeichnung…“.
Vertragsstreitigkeiten landen vor Gericht
Die Webshop-Betreiberin war nach rund sechs Monaten mit der Leistung der Agentur nicht zufrieden und kündigte deshalb den geschlossenen Vertrag. Hier liegt nun der Knackpunkt für den Streit, der letzten Endes vor Gericht landete: Ein Dienstvertrag (in diesem Fall über 24 Monate geschlossen) kann nicht einfach vor Ablauf gekündigt werden und deshalb forderte die Agentur auch das monatliche Honorar von der Webshop-Betreiberin für die vollen 24 Monate. Unterstellt man hingegen einen Werkvertrag, kann der Auftraggeber bei Mängeln vom Vertrag zurücktreten oder bis zur Abnahme den Vertrag grundsätzlich auch kündigen.
Vor Gericht argumentierte die Webshop-Betreiberin, dass es sich beim geschlossenen Vertrag in Wahrheit um einen Werkvertrag handelte. „Sie habe nach einem Unternehmen gesucht, welches die Programmierung des Onlineshops samt dazugehöriger Warenwirtschaft erbringen sollte, was auch im Erstgespräch – insoweit unstreitig – erläutert worden sei.“
Bei der Erstellung eines Webshops ist in der Regel tatsächlich von einem Werkvertrag auszugehen, da die Agentur ein konkretes Werk erstellt, die Richter geben in ihrer Urteilsbegründung auch an, dass durchaus Elemente im Vertrag für einen Werkvertrag sprechen. Allerdings hat der Gesetzgeber für solche „Mischverträge“ eine genaue Regelung:
Setzt sich ein Vertrag aus verschiedenen Vorschriften von Vertragstypen zusammen, „sind die Vorschriften desjenigen Vertragstyps heranzuziehen, der den wirtschaftlichen und rechtlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet“
Wie der Blick in den Vertrag zeigt, entfällt im geschlossenen Vertrag ein Großteil der Leistungen auf die „Onlinemarketing-Flatrate“ (2.290€ monatlich) und damit auf Dienste, die einen Dienstvertrag begründen, doch die Richter finden noch mehr Grüne für einen Dienstvertrag:
„Auch die Vertragsstruktur im Übrigen allerdings begründet eine Einordnung als Dienstvertrag. Der Vertrag ist bezeichnet als "Rahmenvertrag", gemäß welchem der Kunde aus einer Vielzahl werbebezogener Einzelleistungen ein jährliches Zeitkontingent für Leistungen abrufen kann, das die Klägerin bereithält. Ein wesentlicher Teil dieser Leistungen besteht aus Onlinemarketing-Leistungen, die dienstvertraglich zu qualifizieren sind, weil lediglich ein Tätigwerden - etwa allgemeines Projektmanagement, Beratung, Suchmaschinenoptimierung und -werbung etc. - geschuldet ist (…)“
Das Urteil dürfte für die Webshop-Betreiberin eine bittere Pille sein: Der Vertrag wird als Dienstvertrag gewertet und die Agentur bekommt 20.944 Euro zzgl. Zinsen von der Webshop-Betreiberin.
Werkvertrag oder Dienstvertrag? Augen auf!
Um im Business möglichst auf der sicheren Seite zu sein, ist es wichtig, dass sowohl Auftraggeber, als auch Auftragnehmer zumindest die Grundeigenschaften von Verträgen kennen.
Sowohl Werkvertrag, als auch Dienstvertrag haben ihre ganz speziellen Vorschriften und Eigenheiten, die einerseits schützen, so wie in diesem Fall aber auch Schwierigkeiten bringen können. Nicht jeder Selbständige hat die Möglichkeit auf beide Vertragsvarianten auszuweichen, doch auch wer als Auftragnehmer nicht die Wahl hat, kann dennoch als Auftraggeber (z.B. durch die Beauftragung externer Dienstleister) in diese Situation kommen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Rechte und Pflichten mit dem Abschluss eine Dienst- beziehungsweise Werkvertrages einhergehen.
Im verhandelten Fall hat die Klägerin angegeben, sie hätte vor allem die Programmierung eines Shops und Erstellung eines Warenwirtschaftsystems gewünscht. Ein genauer Blick auf den Vertrag und die Kenntnis über die Konsequenzen daraus hätte der Webshop-Betreiberin wohl viel Ärger erspart.
Weiterführende Informationen:
- Urteil macht SEO-Verträge zu Werkverträgen
- Eigenschaden: Enttäuschter Auftraggeber kündigt Werkvertrag
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© Sarah–Yasmin Fließ - exali AG