Online-Repetitorien im Vergleich (Teil 2): lecturio unter der Lupe
Zivilrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht… Jurastudenten haben nichts zu lachen: Der Stoff, den sie lernen müssen, ist komplex und äußerst umfangreich. Die Vorbereitung auf das Staatsexamen ist mühsam und erfordert große Disziplin. Schließlich sollten Wiederholungen und Übungen nicht erst in der Woche vor der Prüfung durchgeführt werden, sondern übers Jahr verteilt. Zur Unterstützung der angehenden Juristen gibt es an den Universitäten sogenannte Repetitorien, in denen die Studierenden den Stoff gemeinsam mit Dozenten durchgehen. Seit Neustem sehr beliebt sind Online-Repetitorien, die bequem und flexibel von überall aus absolviert werden können.
Multimediales Lernmaterial zu allen drei Rechtssparten
Übungen und Lernkontrolle: Raum für Selbstbetrug
Austausch und Interaktion mit anderen Nutzern
Usability und Device-Unabhängigkeit
Zu guter Letzt: Was kostet der Spaß?
Doch wie gut sind diese Online-Modelle? Kann hier wirklich genauso viel gelernt werden, wie mit klassischen Medien? Um das zu überprüfen, haben wir Jurastudent Rafael Giagheddu damit beauftragt, zwei der wichtigsten Anbieter für exali.de unter die Lupe zu nehmen. Im ersten Teil der Serie haben wir die Vor- und Nachteile der Angebote von lecturio und Juracademy kurz und knapp in einer Tabelle vorgestellt. Heute geht es um lecturio in allen Einzelheiten.
Multimediales Lernmaterial zu allen drei Rechtssparten
lecturio stellt umfangreiches Lehrmaterial in allen drei Rechtssparten (Zivilrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht) zur Verfügung. Für jedes Rechtsgebiet steht ein spezieller Dozent zur Verfügung, der auch Fragen beantwortet. Von besonderem Nutzen für die Lernenden sind die Videovorlesungen, die es zu jeder Lerneinheit gibt.
Neben den Videos läuft parallel eine Powerpoint-Präsentation ab (dieselbe, die auch der Dozent verwendet), so dass der Nutzer auch visuell immer am Ball bleiben kann. Der Vortrag kann jederzeit gestoppt und nach Belieben zurückgespult werden, außerdem können mittels Zeitstempel z.B. Fragen notiert werden, die dann später geklärt werden können.
Übersichtliche Skripte zu den einzelnen „Vorlesungen“ sind ebenfalls bereits im Kurspreis enthalten.
Übungen und Lernkontrolle: Raum für Selbstbetrug
Nach jeder Vorlesungseinheit wird das Gelernte anhand eines Multiple Choice Test abgefragt. Am Ende eines gesamten Themengebietes steht zudem ein umfangreicherer Test an, ebenfalls nach Multiple Choice.
Zur Simulation der Prüfungssituation werden Übungsklausuren angeboten, die anschließend mit Hilfe einer vorgegebenen Musterlösung selbst korrigiert werden müssen. Dabei muss jeder Nutzer selbst wissen, wie streng die Regeln sind, die er sich auferlegt (z.B. alle Lehrmaterialien beiseitelegen, keine Pausen machen).
Für einige ausgewählte Klausuren gibt es nicht nur eine schriftliche Musterlösung, sondern zusätzlich ein Video, in dem der Fall von einem Dozenten gelöst wird.
Eine Prüfungsatmosphäre zu schaffen, die der des Staatsexamens gleich kommt, ist beim Online-Repetitorium allerdings unmöglich und auch Raum für Selbstbetrug gibt es reichlich. Um tatsächlich einen Überblick zu bekommen, wie gut man den Stoff schon beherrscht, ist es wichtig, streng mit sich selbst zu sein.
Um eine Übersicht über den eigenen Lernfortschritt zu bekommen und kontrollieren zu können, wie weit das Ziel noch entfernt ist, verschickt Lecturio wöchentliche E-Mails an die Nutzer. Darin wird genau aufgelistet, wie weit die Kurse bereits absolviert wurden.
Austausch und Interaktion mit anderen Nutzern
Auf der Internetseite von lecturio besteht die Möglichkeit, mittels Kommentarfunktion unter den einzelnen Lernvideos Fragen zum jeweiligen Vortrag zu stellen. Diese sind offen und für Jedermann einsehbar. Der jeweilige Fachdozent selbst beantwortet dann zeitnah die gestellte Frage oder das offen gebliebene Problem.
Ansonsten ist es jedoch nicht möglich, direkt über die Webseite mit anderen Studierenden in Kontakt zu treten. Dies wäre insofern ganz hilfreich, als dass andere Nutzer ein Problem vielleicht eher verstehen, als der Dozent und die Antwort in einfachen Worten erklären könnten.
Sucht man im Internet gezielt danach, so finden sich einige Foren, in denen Nutzer Erfahrungsberichte mit Onlinerepetitorien austauschen und sich gegenseitig Tipps geben.
Usability und Device-Unabhängigkeit
Die Internetseite lecturio.de ist relativ einfach gehalten und sehr übersichtlich. Die Kursangebote sind in die drei großen Rechtsgebiete unterteilt und diese dann wiederum jeweils in speziellere Einheiten gegliedert. Der Nutzer findet sich intuitiv gut zurecht. Weiterhin besitzt die Seite eine Suchfunktion, durch die spezielle Inhalte bzw. Vorlesungen leicht gefunden werden können (Stichwortsuche).
Ein wenig nervig ist die Werbung, die ständig seitlich eingeblendet auf Rabattaktionen hinweist. Positiv hervorzuheben ist dagegen der Support, an den sich Nutzer bei Problemen jederzeit wenden können und der dann so schnell wie möglich versucht, zu helfen. Telefonisch ist der Support von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr erreichbar.
Für Windows- oder Mac-PCs wird lediglich ein Browser und ggf. der Adobe Acrobat Reader (für Skripte) benötigt – die Darstellung funktioniert einwandfrei. Möchte man per Smartphone auf lecturio zugreifen, ist das per App möglich. Sowohl für Android als auch für iOS sind bereits kostenlose Apps verfügbar, mit denen alle Inhalte der Plattform vollumfänglich genutzt werden können.
Zu guter Letzt: Was kostet der Spaß?
Ein ganz wichtiger Aspekt, besonders für Studenten: der Preis ;-). Können die Online-Angebote herkömmliche Repetitorien durch den Kostenfaktor aus dem Rennen schmeißen?
Der Komplettkurs von lecturio zur Vorbereitung auf das 1.Staatsexamen kostet monatlich 79,99 Euro – beim 2.Staatsexamen sind es noch 54,99 Euro. Weiterhin ist es möglich, die Examenskurse je nach Rechtsgebiet zu buchen, was zwischen 20,99 und 39,99 Euro kostet. Dies bietet sich an, wenn ein Rechtsgebiet separat gebucht werden soll, weil eine Schwäche beispielsweise nur im Zivil- oder Strafrecht besteht.
Wer am liebsten alle Kurse nutzen möchte, die es gibt, oder noch nicht so genau vor Augen hat, welchen Bedarf er eigentlich hat, kann die Juraflatrate buchen. Für 99,99 Euro im Monat können alle Video-Vorlesungen angesehen und alle Skripte heruntergeladen werden, die lecturio im juristischen Bereich zu bieten hat.
Die Dienste können solange genutzt werden, wie die Kursgebühr entrichtet wird. Nach Ende der Laufzeit kann optional für eine Bereitstellungsgebühr ab 33,33 € pro Monat weiterhin auf die Inhalte zugegriffen werden. Sämtliche Inhalte können fünf Tage lang mit 100 % Geld-zurück-Garantie getestet werden.
Fazit: Online-Repetitorien sind eine gute Ergänzung zu den gängigen Repetitorien (z.B. Alpmann/Schmidt oder Hemmer). Der große Vorteil ist ganz klar in der freien Zeiteinteilung zu sehen. Hierin liegt jedoch gleichzeitig die größte Gefahr: Selbstdisziplin ist das A und O, wenn der Kurs wie geplant durchgezogen werden soll. Das größte Manko ist die fehlende direkte Konversation mit dem Dozenten. In normalen Repetitorien im universitären Umfeld ist es jederzeit möglich, Fragen zu stellen, wenn etwasnicht verstanden wurde. Das sofortige Feedback des Dozenten hilft dabei, jede noch so kleine Unklarheit zu beseitigen. Auch der Austausch mit anderen Studierenden und die Möglichkeit Lerngruppen zu bilden, sind klare Vorteile der normalen Repetitorien.Weiterführende Informationen
- Online-Repetitorien im Vergleich (Teil 1): lecturio vs. Juracademy
- Online-Repetitorien im Vergleich (Teil 3): Was kann Juracademy?
- Online-Repetitorien im Vergleich zur klassischen Prüfungsvorbereitung (Teil 4): Unser Fazit
- Gehalt, Arbeitsmarkt, Einstellungskriterien: Der Jobeinstieg für Juristen unter der Lupe
- Anwälte und ihre vertraulichen Daten: Wie sich Kanzleien im Schadenfall schützen können
- Anwalts-Haftpflicht exali.de: Mehr als nur günstige Pflichtversicherung – Ralph Günther im Interview