Unternehmerische Neuausrichtung: Tipps von Unternehmer Adam Butkiewicz
“Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.”, schrieb schon der Philosoph Heraklit. Dieses antike Zitat gilt heute mehr den je – ganz besonders, wenn Sie ein eigenes Business betreiben. Doch die Zeichen für notwendige Änderungen zu erkennen und am Puls der Zeit zu bleiben, ist eine große Herausforderung. Wir sprachen im Interview mit Unternehmer und FinTech-Gründer Adam Butkiewicz darüber, wie Sie erkennen können, dass eine andere Ausrichtung Ihres Unternehmen notwendig ist und wie Sie sich erfolgreich neu aufstellen.
Start als Autodidakt
exali: Zum Einstieg: Geben Sie uns doch einen kurzen Abriss über Ihren Werdegang – wie sah Ihr Start in die Selbständigkeit aus?
Adam Butkiewicz:
Ich machte mich in meiner Zeit als Student der Wirtschaftswissenschaften als Online-Marketer mit Schwerpunkt Finanzen selbstständig. Das war 2008, während der Wirtschaftskrise. Zuvor führten Universitäten Studiengebühren ein. Das Geld war knapp und das bisschen BAföG reichte gerade für die Miete. Finanzielle Unterstützung von meinen geschiedenen Eltern gab es leider nicht. Damals suchte ich eigentlich nur nach einer Möglichkeit, etwas dazuzuverdienen. Ich stieß zufällig auf einen Artikel über einen amerikanischen Blogger, der mit Google Werbeanzeigen monatlich fünfstellige Dollarbeträge verdiente. Damit war mein Interesse geweckt.
Die technischen Grundlagen hatte ich mir bereits erarbeitet. Bereits als vierzehnjähriger Schüler erstellte ich in den Sommerferien erste Webseiten. Durch das Studium, dem Zugang zur Uni-Bibliothek und meinem Interesse für Finanzen war mein Themenschwerpunkt gesetzt. Ich musste nur noch herausfinden, wie ich eine Website in Google möglichst hoch platziere. Es folgten viele lange Nächte in internationalen Foren und eigene Experimente mit neu erstellten Webseiten. Mit der Zeit stiegen die Besucherzahlen und somit die Einnahmen- von anfangs wenigen Cent bis zu mehreren Euro pro Tag. Als mir bewusst war, dass mein Ansatz funktioniert und ich nur skalieren musste, beantragte ich einen Gewerbeschein.
Veränderung braucht Erfahrung
exali: Nach einiger Zeit haben Sie Ihr Angebot verändert. Wie kam es dazu?
Adam Butkiewicz:
Bis ich so weit war, musste ich erst noch viel dazulernen. Am Ende war es eine stetige Entwicklung, die jeweils den vorherigen gesammelten Erfahrungen und Learnings gründete. Anfangs lag mein Fokus allein auf Contentproduktion und Suchmaschinenoptimierung (SEO). Ich betreute und verbesserte hauptsächlich eigene Webseiten. Besonders erfolgreich waren meine Webseiten zum Thema Bauzinsenentwicklung. Also entschied ich, mich weiter in diesem Bereich zu spezialisieren und gründete 2013 die HypoChart GmbH. Inhaltlich arbeite ich seitdem mit externen Expertinnen und Experten zusammen. Mein persönlicher Schwerpunkt verlagerte sich außerdem auf Webentwicklung, Machine Learning und technische Aspekte von SEO.
Durch diese technische Verlagerung ergaben sich viele neue Möglichkeiten und ich konnte mein Angebot entsprechend erweitern. So entwickle ich inzwischen etwa maßgeschneiderte und SEO-optimierte Web-Frameworks für Online-Startups. Das führte wiederum zu Chancen, mich aktiv an attraktiven Startups zu beteiligen. Zwei davon unterstützen unter anderem Digital Professionals bei der Firmengründung oder der Suche nach Investoren.
Meine Begeisterung für gute Inhalte habe ich mir die ganze Zeit über erhalten. Dank meiner Erfahrung im Fintech Bereich, arbeite ich aktuell als Co-Autor an dem Buch “The Investment Canvas”. Zusammen mit zwei erfahrenen Kollegen aus dem Innovation und Banking Sektor. Das bisherige Feedback ist sehr vielversprechend und wir konnten erste Förderer aus dem Investment Banking gewinnen.
Der Gedanke an eine Auftragsflaute ist für jede:n, die/der selbständig arbeitet, erst einmal unangenehm. Dennoch sollten Sie sich immer wieder mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen, damit Sie derart schwierige Phasen gut bewältigen können. Wie das funktioniert, verrät exali-Gründer Ralph Günther im Blogartikel Was tun bei Auftragsflaute? 5 Tipps für Freelancer:innen.
Vielfältige Gründe für Veränderungen
exali: Was sind typische Indikatoren dafür, dass man sein Business als Selbständige:r neu ausrichten bzw. weiterentwickeln sollte?
Adam Butkiewicz:
Die Indikatoren für eine nötige Neuausrichtung oder Weiterentwicklung fallen individuell unterschiedlich aus. Einer der typischen Indikatoren ist sicher sinkender oder ausfallender Umsatz. Die Fixkosten für Selbständige in Deutschland sind extrem hoch. Fallende Umsätze können somit schnell das finanzielle Aus bedeuten und zwingen Sie regelrecht, tätig zu werden.
Weitere mögliche Indikatoren für nötige Veränderungen sind:
- Überforderung, was zu negativem Stress und damit auch zu gesundheitlichen Problemen führt
- Unzufriedenheit oder der Drang nach neuen Herausforderungen
- Schlechte Zukunftsaussichten
- Langweile oder zu viel Freizeit (Phase des übermäßigen Erfolgs)
Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschließend. Doch oft sind es derartige negativen Indikatoren oder Umstände, die Selbständige zwingen, aktiv beziehungsweise aktiver zu werden. Tatsächlich liegen Probleme nicht selten auch in Phasen des Erfolgs begründet, wenn Menschen entweder dazu neigen, sich zu überschätzen oder nachzulassen.
Generell unterliegt das Dasein als Selbständige:r gewissen Risiken, die Sie kennen und bedenken sollten, um Ihr Unternehmen auf Kurs zu halten. Welche das sind, haben wir im Artikel 5 Businessrisiken, die Freiberufler:innen kennen sollten für Sie zusammengefasst:
So kann der erste Erfolg als Selbständige:r reiner Zufall sein, wenn das Timing und die Idee stimmen. Oder er ist die Konsequenz aus harter Arbeit, gepaart mit vielen Rückschlägen. Oft trifft beides zu. Glauben Sie also nicht, dass Sie schlauer sind, als Millionen andere dort draußen. Seien Sie sich immer gewiss: Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt genug andere, die von ihren Ideen lernen und aufholen werden – und zwar schneller, als Sie denken. Im Idealfall befinden Sie sich als Selbständige:r also konstant in einem Prozess der Weiterentwicklung. Daraus ergeben sich zwangsläufig neue Chancen, die zu einer hoffentlich rechtzeitigen Neuausrichtung führen.
Auch exali-Gründer Ralph Günther kennt das Phänomen, dass die Konkurrenz niemals schläft – und manchmal auch dreist versucht, die Ideen anderer Gründer:innen zu kopieren. Wie man am besten damit umgeht, hat er im Blog beschrieben: Copycats und Wettbewerb
Strukturiertes Vorgehen
exali: Was würden Sie Selbständigen empfehlen, damit die Weiterentwicklung ihres Business gelingt? Wie sollte man das Ganze angehen?
Adam Butkiewicz:
Ich bevorzuge ein strukturiertes Vorgehen. Darum sollten Selbständige als Erstes ihre Hausaufgaben machen. Dazu gehört das Erstellen eines Businessplans. Beurteilen Sie erst Ihre aktuelle Situation, sondieren Sie Ihre Möglichkeiten und definieren Sie langfristige Ziele. Anschließend entwickeln Sie einen Geschäftsplan, der Ihren Zielmarkt, Wettbewerbsvorteil, Marketingstrategien und die wichtigsten Meilensteine darlegt.
Wer einen Leitfaden zur Erstellung eines Geschäftsplans braucht, dem kann ich das Buch Business Model Generation empfehlen. Zum Visualisieren Ihres Geschäftsplans eignet sich der dazugehörige Business Model Canvas, den es als kostenlosen Download gibt.
Businessplan als Grundlage
Dieser Geschäftsplan dient mir als solides Fundament, auf dem ich meine täglichen Entscheidungen aufbaue. Der Fahrplan zum Erreichen meiner Meilensteine ist dagegen eher flexibel, bewegt sich aber im Rahmen der vorher definierten Strategie. Denn in der Praxis läuft natürlich nicht alles nach Plan. Viele Faktoren liegen außerhalb unseres Einflusses. Wichtig ist es darum auch, die eigene Situation, Ziele und Strategie regelmäßig zu reevaluieren und entsprechend anzupassen.
Die richtige Einstellung zum Erfolg
Ein weiterer Punkt, den ich ebenfalls zu den Basics zählen würde, ist die richtige unternehmerische Einstellung. Dazu gehören eine positive Grundeinstellung, Kreativität, die Fähigkeit aus Fehlern zu lernen und die Bereitschaft, sich ständig weiterzuentwickeln. Es stimmt, dass Erfolg etwas Wunderbares ist, aber Scheitern ist der Punkt, an dem Wachstum und Veränderung stattfinden. Denn auch die besten Pläne gehen manchmal schief. Das liegt in der Natur des Lebens.
Das Scheitern eine Chance sein kann, hat auch exali-Gründer Ralph Günther in seiner Laufbahn als Gründer und Unternehmer gelernt. Wie Sie aus Fehlern lernen und Ihr Business weiterentwickeln können, fasst er in diesem Blog-Artikel zusammen: Scheitern als Unternehmer:in – wie Fehlschläge dich voranbringen.
Finanzielles Polster
Darum sollten Selbstständige auch ausreichend finanzielle Reserven besitzen oder zumindest versuchen, diese anzulegen. Einerseits um temporäre Krisen zu bewältigen, anderseits um Spielraum für Veränderungen, in Form von Investitionen oder Weiterbildungen zu haben. Gerade Neulinge neigen dazu, mit steigenden Einnahmen auch ihre privaten Ausgaben zu erhöhen. Nach Abzug von Abgaben, Steuern und später mit Steuervorauszahlungen, bleibt dann plötzlich nicht mehr viel Geld übrig. Fallen die Einnahmen, wird es dann schnell kritisch. Daher bilden Sie erst Reserven, um sich dann frühzeitig dem eigenen Vermögensaufbau zu widmen. Auf unnötige Statussymbole sollten Sie in den ersten Jahren verzichten.
Networking: Die richtigen Kontakte pflegen
Networking ist der nächste große Punkt, den ich anfangs selbst vernachlässigte. Damit meine ich nicht, Kontakte auf Social-Media-Plattformen zu sammeln, sondern sich aktiv mit Kollegen und Dritten auszutauschen und voneinander zu lernen – denn jede:r Selbständige hat einen anderen Hintergrund, Spezialisierungen und Fähigkeiten. Halten Sie sich außerdem an Mentor:innen. Die haben enorme Erfahrung und gute Kontakte. So eröffnen sich durch Networking neue Perspektiven und mit der passenden Kreativität entstehen so neue Geschäfte oder Kooperationen.
In diesem Zusammenhang bin ich auch ein Fan von positiven Karma. Tun Sie Gutes, seien Sie freundlich, irgendwann kommt das auch Ihnen selbst zugute. Personen oder Kolleginnen und Kollegen, die nur fordern, sollten Sie meiden. Suchen Sie Lieber den Kontakt zu Mitstreiter:innen, die teilen, helfen und sich gegenseitig unterstützen. Achten Sie also auf eine gute Gleichgewicht von Nehmen und Geben - Win-Win sollte stets das übergeordnete Ziel sein. Das gilt sowohl beruflich als auch privat.
Kundinnen, Kunden, und Geschäftspartner:innen vom eigenen Angebot zu überzeugen ist manchmal gar nicht so einfach. Unser Artikel Mit den 6 Prinzipien der Überzeugung zu mehr Erfolg im Business hilft weiter.
Effektive Planung ist das A und O – das gilt auch, wenn Sie Ihr Business neu ausrichten oder aufstellen möchten.
Trends im Auge behalten
Ich glaube, wir haben jetzt recht viele Punkte zusammen. Darum komme ich jetzt zu meiner letzten Empfehlung. Behalten Sie Markttrends, Branchenveränderungen und Kundenpräferenzen im Auge. Dafür eignen sich am besten branchenspezifische oder -übergreifende Konferenzen und Messen. Hier eröffnen sich ebenfalls Möglichkeiten zum so wichtigen Networking. Im Idealfall antizipieren Sie große Veränderungen oder Probleme und können sich rechtzeitig darauf vorbereiten.
Fokus auf die eigenen Stärken
exali: Gibt es bei einer geschäftlichen Neuausrichtung je nach Branche Unterschiede?
Adam Butkiewicz:
Ja, sicher gibt es Unterschiede. Selbständige in Branchen mit hohen Eintrittsbarrieren oder monopolartigen Strukturen verspüren natürlich weniger Druck, sich weiterzuentwickeln. Der Konkurrenz- oder Kostendruck spielen also eine Rolle. Machen Sie sich bei der Neuausrichtung also Gedanken, wie Sie sich deutlich von der Konkurrenz abgrenzen. Aber bitte nicht durch “schneller”, “billiger”, “besser”. Dieses Spiel beherrschen Konzerne mittelfristig bis langfristig am besten. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf Ihre, im Idealfall einzigartigen, Stärken. Welches Problem verstehen Sie besonders gut? Welche Lösung können Sie besonders gut liefern?
Vorausschauende Finanzplanung
exali: Inwieweit sind Freelancer:innen, Selbständige und Unternehmer:innen bei der Ausrichtung ihres Business von externen Faktoren wie zum Beispiel der Inflation beeinflusst?
Adam Butkiewicz:
Die Inflation ist ein gutes Beispiel für einen externen Faktor, der sich ökonomisch auf Selbständige und Unternehmen auswirkt. Weitere mögliche externe Faktoren sind sich ändernde soziale Strukturen oder technologischer Fortschritt. Die Auswirkungen auf Ihr Geschäft ähneln sich. Aber bleiben wir beim Beispiel der aktuell hohen Inflation in Deutschland. Ich sehe hier folgende mögliche Auswirkungen für Selbständige und Gründer:innen:
Kosten
Die Ausgaben für Rohstoffe, Energie, Ausrüstung, Miete und andere Betriebskosten steigen. Dies übt Druck aus auf ihre Gewinnspannen. Das führt zu Preissteigerungen oder zur Suche nach kostensparenden Maßnahmen, um ihre Rentabilität zu erhalten.
Verhalten der Verbraucher:innen
Bei steigenden Lebenshaltungskosten priorisiert die/der Einzelne die Ausgaben. Das kann sich auf die Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen auswirken, die gerade Freiberufler:innen und Selbständige anbieten. In der Folge müssen Sie sich auf die veränderten Verbraucherpräferenzen einstellen und ihr Angebot entsprechend anpassen.
Zugang zu Kapital
In Inflationszeiten steigen die Zinssätze tendenziell an, um die Geldentwertung zu stoppen. Das schränkt Ihre Möglichkeiten ein, das eigene Geschäft zu erweitern oder in neue Projekte zu investieren. Dies gilt ebenso für Verbraucher:innen, die zum Beispiel etwa den Hausbau lieber aufschieben weil sie sich ihn vorerst nicht leisten können.
Auswirkungen auf einzelne Branchen
Beispiele sind Eingriffe durch Subventionen, Änderungen der Regierungspolitik oder von Vorschriften. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Heizungsdebatte.
Um die Auswirkungen externer Faktoren abzumildern, ist es für Freiberufler:innen, Selbständige und Unternehmer:innen wichtig, eine vorausschauende Finanzplanung zu betreiben. Dazu gehört, dass Sie Ihre Preisstrukturen regelmäßig überprüfen, Ihre Kosten effizient verwalten und Ihren Kundenstamm diversifizieren. Enge Beziehungen zu Geschäftspartner:innen und langfristige Verträge sind weitere wichtige Absicherungen.
Generell hilft immer die Fähigkeit zur Selbstreflexion, Anpassung und Weiterentwicklung. Nichts bleibt, wie es ist. Genau darum ergeben sich stetig auch neue Chancen. Seien Sie bereit und fähig, diese zu erkennen und zu ergreifen.
Vielen Dank für das informative Gespräch!
Adam G. Butkiewicz ist Online-Unternehmer, Webentwickler und SEO-Experte. Seine Leidenschaft ist das Thema Finanzen. 2008 machte er sich als Student der Wirtschaftswissenschaften im Onlinemarketing selbstständig und gründete 2013 sein erstes Fintech HypoChart GmbH, welches bereits über 50.000 Finanzierungsanfragen bearbeitet hat. Mit seiner Erfahrung im Umsetzen von erfolgreichen Online-Projekten hilft er Unternehmen bei der Planung und Optimierung von kompetitiven Webseiten. Zusätzlich berät er Startups bei der Gründung und arbeitet aktuell als Co-Autor an seinem ersten Buch "The Investment Canvas”.
Vivien Gebhardt ist Onlineredakteurin bei exali. Hier erstellt sie Content zu Themen, die Selbständigen, Freiberuflern und Unternehmern unter den Nägeln brennen. Ihre Spezialgebiete sind Risiken im E-Commerce, Rechtsthemen und Schadenfälle, die bei exali versicherten Freelancern passiert sind.