Umstrittene Anwaltswerbung: Darf eine Kanzlei „den Größten haben“?
Wie provokant und zweideutig darf eine Rechtsanwalts-Kanzlei werben? Das ist eine Frage, die gerade die Gemüter von Berufsrechtlern und der Anwaltskammer bewegt. Die Kanzlei Goldenstein & Partner, die kürzlich im VW-Dieselskandal erfolgreich war, wirbt mit einem Plakat, das man mit seriösen Anwälten und Anwältinnen eher nicht in Verbindung bringt. Sehen Sie hier das Corpus Delicti und erfahren Sie, wann Werbung von Anwälten und Anwältinnen rechtswidrig sein kann…
Update: Kanzlei Goldenstein hängt Plakate ab
Die Kritik war wohl doch zu groß: Die Kanzlei Goldenstein hängt ihre umstrittenen Plakate ab (mehr dazu lesen Sie im Artikel). Die Rechtsanwaltskammer Brandenburg, die gegen die Werbung vorgehen wollte und mit berufsrechtlichen Konsequenzen drohte, hat die Kanzlei wohl zum Einlenken gebracht. In einem Schreiben heißt es: „Diese Werbemaßnahme wird zukünftig unterlassen.“
Werbeplakat sorgt für Aufsehen
So sieht das Werbeplakat der Kanzlei Goldenstein & Partner, um das sich die Diskussion dreht:
Goldenstein & Partner
Mit dem Slogan „WIR HABEN DEN GRÖSSTEN Erfolg in der Geschichte des Dieselskandals errungen“ spielt die Kanzlei auf den Erfolg im Prozess um den Dieselskandal gegen VW an, in dem der BGH bestätigte, dass betroffenen VW-Kunden und -Kundinnen Schadenersatz zusteht.
Laut Angaben der Kanzlei wurden bereits 300 der Plakate an 30 verschiedenen Standorten verteilt, darunter Raststätten-WCs und Shoppingcenter. Was für viele eine lustige und originelle Abwechslung zwischen den sonst recht tristen Anwalts-Werbemaßnahmen ist, finden Berufsrechtler gar nicht lustig.
„Hochgradig geschmacklos“ oder ein „Lacher“?
Rechtsanwalt Markus Hartung sieht beispielsweise „die Grenze des Zulässigen“ überschritten und hält die „sexualisierte“ Werbung unabhängig vom berufsrechtlichen Aspekt für „massiv geschmacklos.“ Der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Brandenburg spricht gegenüber Legal Tribune Online (LTO) von einer „Entgleisung“ und hält das Plakat für „hochgradig geschmacklos.“
Ob und welche rechtlichen Konsequenzen der Kanzlei Goldenstein drohen, will die Rechtsanwaltskammer bald in einer Präsidiumssitzung klären. In Betracht käme eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung. Im Wiederholungsfall müsste die Kanzlei dann ein Bußgeld von bis zu 250.000 Euro bezahlen.
Die Kanzlei Goldenstein sieht die Sache naturgemäß ganz anders. Es sei nicht zu beanstanden, „wenn Anwälte mit einer gewissen Bravade ihren Erfolg im Kampf David gegen Goliath selbstbewusst in der Öffentlichkeit zelebrieren“, sagte Kanzleichef Claus Goldenstein gegenüber LTO. Für die Werbung habe man außerdem bewusst Flächen in Toiletten gewählt: "In einer aufgeklärten und mündigen Gesellschaft ist zudem nicht davon auszugehen, dass bei Toilettenbesuchern die Werbung Gefühle wie Schock, Erregung oder Empörung auslösen wird, sondern ihnen allerhöchstens einen kurzen Lacher abringt und ihnen damit sogar noch der Tag versüßt wird“, so Goldenstein.
Was die Rechtsanwaltskammern im Plakat-Streit entscheiden, bleibt abzuwarten – Sie erfahren es natürlich an dieser Stelle.
Urteile zur Anwaltswerbung
Wenn es um unzulässige Anwaltswerbung geht, kommt § 43 b BRAO ins Spiel. Denn danach ist dem Rechtsanwalt oder der Rechstanwältin Werbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Ob das Plakat in diesem Fall noch die gebotene Sachlichkeit wahrt, ist fraglich. Zum § 43 b BRAO gibt es einige (zum Teil) höchstrichterliche Urteile, die die Vorschriften konkretisiert haben:
- Urteil zur Schockwerbung: Verboten ist laut BGH (Az: AnwZ (Brfg) 67/13, Urteil vom 27.10.2014) anwaltliche Schockwerbung. In dem Fall hatte ein Kölner Anwalt Kaffeetassen mit zweifelhaften Motiven bedruckt. Beispielsweise wird ein Mädchen mit einem Stock geschlagen, daneben der Satz: „Körperliche Züchtigung ist verboten.“
- Urteil zur Einzelfallwerbung: Gemäß § 43 b BRAO ist die Werbung Anwälten nur erlaubt, wenn sie über ihre berufliche Tätigkeit sachlich informieren und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall aus sind. In einem Fall, der vor dem BGH landete, hatte ein Anwalt einen Geschäftsführer einer insolventen GmbH direkt angeschrieben und auch im Betreff konkret seine Hilfe bezüglich der Haftung aufgrund der Insolvenz angeboten. Daraufhin erhielt er eine Rüge der Rechtsanwaltskammer. Der BGH gab dem Rechtsanwalt Recht und begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass ein Werbeverbot zum Schutz potenzieller Mandanten nur angemessen ist, wenn zu befürchten ist, dass diese in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden. Den Fall und die Gründe des BGH können Sie hier nachlesen: BGH weicht Werbeverbot für Rechtsanwälte auf.
- Werbung auf der Anwaltsrobe: Die Frage, ob ein Anwalt seine Robe mit Werbung bedrucken darf, hat der BGH klar verneint (Az: AnwZ (Brfg) 47/15). In dem Fall wollte ein Anwalt seine Robe mit seinem Namen und seiner Kanzleihomepage versehen.
- Urteil zu anwaltlichen Werbeflyern: Der Anwaltsgerichtshof NRW entschied, dass es zwar grundsätzlich zulässig ist, dass ein Rechtsanwalt mit einer kostenlosen Erstberatung wirbt (Az: 1 AGH 3/14). Wenn er jedoch potenzielle Mandanten „reklamehaft“ anlockt, handelt es sich um unzulässige Werbung. Ein Rechtsanwalt hatte Gutscheine für eine kostenlose Erstberatung über 40.000 Flyer sowie eine Anzeige in einer Zeitung mit einer Auflage von 85.000 Exemplaren verteilt. Der Flyer war mit großen Buchstaben und roter Farbe gestaltet und enthielt den Text: „Zeigen Sie der Polizei die rote Karte!“ sowie Hinweise zum Strafverfahren. Diese Aufmachung hielt der AGH für unsachlich. Zudem sei die Werbung irreführend, da der Rechtsanwalt erwartungsgemäß die neuen Mandanten aus Kapazitätsgründen gar nicht persönlich beraten hätte können. Das Versprechen einer persönlichen Beratung sei daher unseriös und irreführend.
Anwaltswerbung: Was ist erlaubt und was nicht?
Grundsätzlich sollten Sie als Anwalt oder Anwältin bei Ihren Werbemaßnahmen folgende Regeln beachten:
- Sachliche Information über Ihre Dienstleistungen, Fachgebiete und Ihre Person
- Hinweise auf Mandate und Mandanten, wenn diese ausdrücklich zustimmen
- Werbung mit bestimmten Qualifikationen, wenn Sie diese nachweisen können
- Generell: Werbung in Zeitschriften, auf der eigenen Homepage, über Social Media und in Branchenbüchern, soweit sie dem Sachlichkeitsgebot entspricht
X Werbung, die auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall abzielt
X reißerische, reklamehafte Werbung
X Werbung mit geringeren Gebühren als es das RVG vorsieht
X Werbung unter Angabe von Erfolgs- und Umsatzzahlen
Flexible und moderne Absicherung für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen
Wie Sie als Anwalt oder Anwältin werben dürfen und wie nicht, ist oft eine Einzelfallentscheidung. Ob in Zukunft bei der Anwaltswerbung mehr erlaubt sein wird, bleibt abzuwarten. Was Sie aber jetzt schon brauchen: Eine Berufshaftpflicht, die Ihre anwaltliche Tätigkeit rundum absichert und auch neue Risiken wie Veröffentlichungsrisiken in Fachmedien und oder Ihrem eigenen Blog sowie Cyber-Risiken umfassend abdeckt.
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Nach einem Volontariat und ein paar Jahren in der Unternehmenskommunikation bin ich nun bei exali als Chefredakteurin in der Online-Redaktion für Content aller Art zuständig.
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