Rechtsmissbrauch: Abmahnanwalt und sein Mandant müssen Schadenersatz zahlen!
Nicht erst seit der DSGVO treiben sie ihr Unwesen: Sogenannte Abmahnanwälte, die gemeinsam mit ihren Mandanten Abmahnungen als Geschäftsmodell entdeckt haben und diese massenhaft verschicken. Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass niemand etwas gegen diese Machenschaften tun kann. Doch ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin schiebt dieser unmöglichen Praktik einen Riegel vor.
Ein Anwalt-Mandant-Abmahngespann und seine Machenschaften
Das Kammergericht hat einen Rechtsanwalt und seinen Mandanten wegen Rechtsmissbrauch zu einer Schadenersatzzahlung von mehr als 1.400 Euro verurteilt (Urteil vom 02.02.2018, Az: 5 U 110/16). Die beiden hatten sich als „Abmahngespann“ einen zweifelhaften Ruf erworben. Der Anwalt verschickte massenhaft Abmahnungen im Namen seines Mandanten. Die dafür anfallenden Abmahnkosten stellte er seinem Mandanten aber nicht in Rechnung – und das wurde den beiden letztendlich „zum Verhängnis.“
Denn im Normalfall und wenn es sich um ein seriöses Anwalts-Mandanten-Verhältnis handelt, müssen beide gemeinsam – also Anwalt und Mandant – das Kostenrisiko tragen. Das bedeutet, wenn die Abmahnung scheitern würde oder die Abgemahnten nicht zahlen könnten (weil sie zum Beispiel insolvent sind), müsste der Mandant trotzdem die Kosten für seinen Anwalt übernehmen – und trägt somit ebenso ein Kostenrisiko.
Anwalt erlässt Mandant die Abmahnkosten
Genau dies hat das Gespann in vorliegendem Fall aber umgangen, indem der Anwalt seinem Mandanten die Abmahnkosten einfach erlassen und nie von diesem gefordert hat. Noch dazu hätte der Mandant die Kosten aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation auch gar nicht tragen können. Innerhalb von sechs Monaten nach Aussprache der streitgegenständlichen Abmahnung schuldete der Mandant dem Anwalt 65.000 Euro! Außerdem zweifelhaft an dem Vorgehen: Der Anwalt verschickte Abmahnungen mit Summen im fünfstelligen Bereich, wozu der Umsatz seines Mandanten in keinem Verhältnis stand.
Sittenwidrige Schädigung: Nicht das erste Urteil gegen Anwalt und Mandant
In seiner Begründung verwies das Gericht auf ein Urteil aus dem Jahr 2010, das ebenfalls wegen ähnlicher Vorwürfe gegen den gleichen Anwalt und seinen Mandanten erging. Dazu das Gericht:
„Da das Risiko von Erfolg und Misserfolg des außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens des überschuldeten Anspruchsstellers vollständig dem Inanspruchgenommenen aufgebürdet wird, ergibt sich vielmehr ein zusätzlicher und gewichtiger Aspekt, der den Vorwurf des Missbrauchs begründet.“
Nach Auffassung der Richter stellt das Vorgehen der Beklagten daher den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB dar:
„Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass eine Abrede zwischen Rechtsanwalt und Mandant, dem Rechtsanwalt eine Gebühreneinnahmequelle zu verschaffen, indem im Namen des Mandanten in einer Vielzahl von Fällen wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, obwohl eine Anspruchsberechtigung nicht besteht (§ 8 Abs. 4 Satz 1 UWG), jedenfalls dann den objektiven Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB erfüllt, wenn die Vermögensverhältnisse der Mandanten so gestaltet sind, dass er tatsächlich kein Kostenrisiko trägt.“
Verfahren ist leider die Ausnahme
Auch wenn die Richter in diesem Fall der zweifelhaften Geschäftspraxis des Abmahn-Gespanns einen Riegel vorgeschoben haben, die Regel ist das leider nicht. Zwar gilt beim Tatbestand des Rechtsmissbrauchs der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz – das bedeutet, Gerichte müssen von sich aus dagegen vorgehen – aber meist müssen die Geschädigten, also die Abgemahnten, das Verfahren ins Rollen bringen, mühsam Beweise zusammensammeln und dem Gericht vorlegen. Aber immerhin gibt es Fälle wie diesen, in dem der Aufwand sich lohnt.
Trotz Abmahnindustrie ruhig schlafen
Auch wenn dieser Fall zeigt, dass sich die „Opfer“ der Abmahnanwälte nicht alles gefallen lassen müssen und diese auch nicht immer mit ihrem Verhalten durchkommen, oft genug haben sie Erfolg mit ihrer Masche und der Abgemahnte muss Schadenersatz zahlen. Damit Sie sich trotzdem einigermaßen entspannt Ihrem Business widmen können und nicht allzu viel Angst vor dem Schreckgespenst „Abmahnanwalt“ haben müssen, ist eine gute Absicherung wichtig. Die Berufshaftpflichtversicherungen über exali.de prüfen im Fall einer Abmahnung auf eigene Kosten deren Rechtmäßigkeit und übernehmen im Ernstfall eine teure Schadenersatzzahlung.
Weitere interessante Artikel:
- Foto-Abmahnung aboutpixel: Lizenzbedingungen eingehalten und trotzdem vor Gericht
- Urteil: Ist es unzulässig, Kunden per Mail nach einer Bewertung zu fragen?
- Mail-Adresse im Impressum: Reicht eine automatisierte Rückantwort?
© Ines Rietzler – exali AG