Im Fokus: Der Marktvergleich zur IT-Haftpflicht, Aktuelles Update 2007-08
Wohin gehe ich, wenn ich so wenig Beitrag zahlen möchte, wie es eben nötig ist. Welche Versicherungssummen bekomme ich bei den einzelnen Versicherern? Welcher Versicherungsumfang ist am Markt üblich? Und überhaupt: Wo finde ich die relevanten Angebote zur IT-Haftpflicht:
- im Vergleich zueinander,
- mit allen wichtigen Daten, zuverlässig recherchiert,
- genau so aufbereitet, dass ich sie auch verstehe?
Versicherungsbedingungen: Einige Neuerungen, kaum Weiterentwicklung
Nicht auszurotten: Kundenunfreundliche Klauseln
Rechtsverletzungen: in der IT-Haftpflicht meist nur eingeschränkt versichert
Folgeschäden durch Verzug: sehr eingeschränkt versichert
Tipp: Umfassender Online-Vergleich zur IT-Haftpflicht
Seit mehr als vier Jahren verfolgt der Versicherungsexperte Ralph Günther das Marktgeschehen der einzelnen IT-Haftpflicht Versicherer und vergleicht die Angebote der Versicherungen. Die Daten des Versicherungsvergleiches werden durch regelmäßige Musterausschreibungen aktualisiert, die modellhaft dem Anforderungsprofil eines IT-Experten bzw. eines IT-Unternehmens entsprechen.
Für das aktuelle Update wurden über 400 Seiten Versicherungsbedingungen durchgearbeitet und der bisherige Kriterienkatalog aus Versicherungsbeiträgen, Deckungssummen, Versicherungsumfängen, Online-Policierung, etc., erstmals um Rechtsverletzungen, die Experimentier- und Erprobungsklausel sowie Versicherungsschutz bei Verzug erweitert.
Der erste Marktvergleich zur IT-Haftpflicht Ende 2003 war eine Momentaufnahme. Durch die weiteren Updates sind mittlerweile nachvollziehbare Tendenzen am Markt zu erkennen.
Zahl der IT-Haftpflicht-Anbieter und Beitragshöhe
Im Vergleich zu anderen Branchen ist jedoch die Zahl der Anbieter (13 Versicherungsgesellschaften wurden im Marktvergleich untersucht) immer noch sehr begrenzt.
Die Beiträge haben sich in den vergangenen vier Jahren kaum verändert, lediglich im letzten Jahr ließ sich eine leicht sinkende Tendenz erkennen. Für Existenzgründer, Startup-Unternehmen, Freiberufler und kleinere IT-Dienstleister sind jedoch günstigere Tarife mit zeitlich begrenzter Rabattdauer (z. B. bei Existenzgründern im Anfangsjahr) oder mit Begrenzungen durch den maximalen Jahresumsatz (z. B. bis zu einem Jahresumsatz von 100.000 Euro) bei einigen Anbietern hinzugekommen.
Werden die vorgegebenen Grenzen überschritten, so wird der IT-Haftpflichtvertrag meist auf die “Normal-Konditionen” umgestellt. Dies stellt nach Ansicht von Experte Ralph Günther lediglich eine “temporäre” Beitragsabsenkung dar, um vorübergehend die Eintrittsschwelle für die IT-Haftpflicht auf Jahresbeiträge unter 1.000 Euro abzusenken. Eine dauerhafte Beitragsabsenkung ist damit nicht verbunden.
Hohe Versicherungssummen
Die Versicherungsgesellschaften halten sich nach wie vor sehr zurück, wenn es um die Absicherung von hohen Vermögensschadenssummen für IT-Freiberufler und kleinere IT-Dienstleister geht.
Sofern ein Versicherer dennoch die Schwelle von 500.000 € für reine Vermögensschäden überschreitet, sind meist hohe Zuschläge zu entrichten. Aber auch bei den Angeboten mit hohen Vermögensschadenssummen gibt es meist noch Einschränkungen der vereinbarten Versicherungssummen (so genannte Sublimite) - so z. B. für Rechtsverletzungen, bei der Vorsorge oder bei Implementierungs- und Tätigkeitsschäden.
Versicherungsbedingungen: Einige Neuerungen, kaum Weiterentwicklung
Die Versicherungsbedingungen wurden bei den meisten Versicherern in den vergangenen Jahren teilweise erneuert und angepasst, basieren aber nach wie vor auf den traditionellen und schwer verständlichen Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB)
Bis auf wenige positive Ausnahmen gab es hierbei keine wesentliche Weiterentwicklung der Bedingungswerke. Eigene, nicht auf den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) aufbauende Versicherungsbedingungen bietet derzeit nur ein Versicherer an. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr Anbieter von den problembehafteten AHB in Kombination mit Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) mit all ihren Problemen lösen und eigenständige, kompakte sowie transparente Bedingungswerke schaffen würden.
Weltweite Deckung: Immer häufiger im Programm
Eine der positiven Ausnahmen ist die Entwicklung des räumlichen Geltungsbereiches: Die meisten IT-Haftpflicht Versicherer bieten mittlerweile eine weltweite Deckung an, wobei manche Tücke im Detail liegt. Bei etwa 70 Prozent der untersuchten Angebote handelt es sich um keine “echte” weltweite Deckung, denn der direkte Export von Waren und Dienstleistungen (darunter verstehen die Versicherer i. d. R. auch ASP) und/ oder Rechtsverletzungen, z. B. für GB, USA, Kanada, Australien, sind oft explizit ausgeschlossen.
50 Prozent haben “Vorsorge“ im reinen Vermögensschadenbereich
Obwohl es immer noch Versicherer gibt, die nach den AHB keine Vorsorge bieten, und damit auch keinen Versicherungsschutz für neu hinzugekommene Tätigkeiten sowie für Risiken für echte Vermögensschäden, wurde dies mittlerweile von etwa der Hälfte der Anbieter aufgenommen - wenn auch teilweise mit reduzierten Versicherungssummen.
Ein Anbieter versichert derzeit über eine sogenannte “offene Deckung” sogar alle IT-Tätigkeiten. Einschränkungen ergeben sich hier ggf. nur noch über klar definierte Ausschlüsse. Ein weiterer Versicherer bietet ebenfalls eine “offene Deckung” an, die jedoch für die Vorsorge im gerade wichtigen Bereich der reinen Vermögensschäden wieder eingeschränkt wird.
Nicht auszurotten: Kundenunfreundliche Klauseln
Bei einer Vielzahl der untersuchten IT-Haftpflicht Gesellschaften finden sich immer noch - mehr oder weniger stark ausgeprägt - kundenunfreundliche Klauseln wie die
- “Experimentier- bzw. Erprobungsklausel” (bei ca. 55 Prozent der untersuchten Angebote) sowie die
- “Stand der Technik-Klausel” (bei ca. 90 Prozent der untersuchten Angebote).
Diese Klauseln wurden nach der Recherche von Versicherungsexperte Ralph Günther teilweise aus anderen Branchenkonzepten übernommen, in denen sie weniger problembehaftet sind, wie im IT-Bereich.
Hier führen diese Klauseln zu deutlichen Spannungsfeldern, da durch Formulierungen wie “…übliche und angemessene Programmtests…” oder “… Schäden, die durch Mehraufwand hätten vermieden werden können.” ein großer Interpretationsspielraum mit guten Rückzugsmöglichkeiten für den Versicherer eröffnet wird.
Rechtsverletzungen: in der IT-Haftpflicht meist nur eingeschränkt versichert
Generell sind Rechtsverletzungen bis auf wenige Ausnahmen in der IT-Haftpflicht nur eingeschränkt versicherbar. Die Einschränkungen sind vielfältiger Art: So sind Rechtsverletzungen in USA und Kanada oft generell ausgeschlossen, aber auch Urheberrechtsverletzungen und gewerbliche Schutzrechte werden gerne ausgeschlossen - obwohl diese erhebliches Schadenpotential bergen.
Patentrechtsverletzungen können, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt versichert werden. Meist ist hier die Voraussetzung, dass der Schaden nicht in GB, USA oder Kanada eingetreten ist oder vor Gerichten dieser Länder verhandelt wird und die Schäden nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen.
Zwingende Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist meist, dass der Versicherungsnehmer nachweislich (Beweispflicht liegt beim VN) VORAB eine entsprechende Recherche durch geeignete Fachkräfte durchgeführt hat. Anzumerken ist, dass Patentrechtsverletzungen jedoch in vielen IT-Projekten keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen und daher die Einschränkung nicht oft zum Tragen kommt.
Vorumsätze: nur selten mitversichert
Nur sehr wenige Versicherer (etwa 20 Prozent) bieten in der IT-Haftpflicht automatisch und unbegrenzt die Mitversicherung von Vorumsätzen bzw. aus Tätigkeiten in alten Projekten mit an. Die Mitversicherung der Vorumsätze ist jedoch vor allem für diejenigen IT-Experten wichtig, die mit Aufnahme der freiberuflichen oder selbständigen IT-Tätigkeit noch keine IT-Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatten. Denn: Im IT-Bereich ist es durchaus möglich, dass auch aus älteren Projekten und Aufträgen ein Schaden entsteht und beim IT-Dienstleister angemeldet wird.
Einige Versicherer bieten zumindest für einen begrenzten Zeitraum (z. B. sechs Monate bis zu einem Jahr) die Mitversicherung von Vorumsätzen gegen einen einmaligen Beitrag (errechnet sich i. d. R. vom regulären Jahresbeitrag) mit an. Dies muss jedoch besonders beantragt werden.
Folgeschäden durch Verzug: sehr eingeschränkt versichert.
Die Versicherung eines Folgeschadens durch eine Verzögerung bei der Fertigstellung (= Verzögerungsschaden), wie er z. B. bei einer umfangreichen Softwareimplementierung entstehen kann, ist bei fast allen Gesellschaften ausgeschlossen.
In einigen Ausnahmen ist der Folgeschaden zumindest mit Einschränkungen versichert. Bei diesen Gesellschaften muss der Verzug jedoch auf eine Sachgefahr (Feuer, Leistungswasserschaden, etc.) zurückzuführen sein. Dies sind allerdings nicht die häufigsten Ursachen, aus denen sich IT-Projekte in die Länge ziehen. Teilweise ist dann auch noch zusätzlich das Bestehen einer Elektronikversicherung vorgeschrieben.
Im Marktvergleich konnte eine IT-Haftpflicht ausfindig gemacht werden, die Folgeschäden durch Verzug ohne Einschränkung versichert. Zudem ist der Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung einer gesetzlichen oder vertraglichen Leistungspflicht abgedeckt. Es wäre in diesem wichtigen Bereich zu wünschen, dass andere Gesellschaften diesem Beispiel folgen und die Bedingungen um versicherte “Erfüllungsschäden bzw. Erfüllungsfolgeschäden” erweitern.
Versicherungsumfang: Einige Besonderheiten
Ein IT-Haftpflicht Versicherer bietet seit Mitte des Jahres über einen optionalen Zusatzbaustein mit dem Namen “Rücktritt des Auftraggebers vom Projekt” bzw. “RPC” (Return of Project Costs) die Absicherung der vergeblichen Aufwendungen bei einem berechtigen Rücktritt des Auftraggebers vom Projekt an. Dieser Zusatzbaustein kann gegen einen geringen Beitragszuschlag mitversichert werden.
Interessant ist dieser Zusatz für IT-Experten und IT-Dienstleister, die an länger dauernden Projekten, z. B. auch unter Zuhilfenahme von weiteren Subunternehmern, arbeiten. Tritt der Auftraggeber berechtigt vom Projekt zurück, so würde es zu hohen, nicht mehr verrechenbaren Vorleistungen (= vergebliche Aufwendungen) kommen. In GB ist dieser Baustein üblich, in Deutschland eine Ausnahme. Bleibt abzuwarten, ob dieser Zusatz auch von anderen Gesellschaften in Zukunft übernommen wird.
Neben der kostenpflichtigen RPC-Deckung gibt es bei dieser IT-Haftpflicht beitragsfrei schon seit langem die Eigenschadendeckung. So sind Schäden durch Unredlichkeit (Unterschlagung, Untreue oder Betrug) von angestellten und freien Mitarbeitern sowie der Ersatz der Wiederherstellungskosten bei Zerstörung der eigenen Homepage durch Hackerangriffe mitversichert.