Internationale Projektverträge: Folgen für die IT-Haftpflicht durch anglo-amerikanische Vertragsklauseln
Nicht nur bei Projekteinsätzen im Ausland, sondern auch in Deutschland werden freiberuflichen und selbstständigen IT-Spezialisten häufig internationale Projektverträge mit anglo-amerikanischen Klauseln vorgelegt. Der Grund: der Mutterkonzern sitzt im Ausland. Für IT-Freelancer bedeutet das: Augen auf vor dem Vertragsabschluss. Denn internationale Klauseln können Konsequenzen für den IT-Haftpflicht Schutz haben. exali-Geschäftsführer Ralph Günther gibt einen Überblick über solche problematischen Klauseln und zeigt Lösungen auf.
Gesetzliche Haftung vs. vertragliche Regelungen
Klausel: Haftungsfreistellung des Auftraggebers
Klausel: Mitversicherung des Auftraggebers
Klausel: Melde-/Nachweispflichten
Klausel: Nachweis von bestehenden Versicherungen
Fazit und Empfehlung: “Standard-Verträge” sind ungünstig
Beratung durch internationalen Versicherer und Vertragsanwalt
Gesetzliche Haftung vs. vertragliche Regelungen
Bei Projektverträgen mit Kunden aus den USA prallen häufig nicht nur zwei Sprachen, sondern auch zwei völlig unterschiedliche Rechtsauffassungen samt Rechtssysteme aufeinander.
So gelten in dem einen Land Gesetze als oberste Maßgabe, in dem anderen jedoch der Richterspruch und vertragliche Regelungen als verbindliche Kriterien. Denn während in Deutschland viele Punkte zur Haftung bereits im Gesetz (insbesondere im BGB) geregelt sind und man von gesetzlicher Haftung spricht, ergibt sich in anglo-amerikanischen Kulturkreisen, wie in den USA, die Haftung vornehmlich aus den vertraglichen Haftungsregelungen.
Ergo: Freiberufler sollten hier in ihrem Projektvertrag besonders genau auf die Vertragsklauseln zu IT-Haftpflicht bzw. IT-Betriebshaftpflicht achten.
Einmal unterzeichnet, können sich für den IT-Freelancer aus dem Projektvertrag negative Konsequenzen für seinen Versicherungsschutz und die generelle Versicherbarkeit ergeben, da deutsche Versicherer diese Zusatzvereinbarungen nicht mittragen.
Das zeigt der nachfolgende Überblick über häufig verwendete anglo-amerikanische Klauseln in Projektverträgen.
Klausel: Haftungsfreistellung des Auftraggebers
Die Klausel
“Contractor will indemnify, defend and hold harmless (including paying court costs and reasonable attorneys' fees) COMPANYNAME and its affiliates and their officers, employees, partners, principals, agents and permitted assigns against all liability that arises from Contractor's, its partners', principals', employees', agents', subcontractors’ or permitted assigns' conduct that results in bodily injury or damage to or loss of property.”
Bedeutung der Klausel
Mit Unterzeichnung dieser Klausel erklärt sich der IT-Freelancer gegenüber seinem Auftraggeber bereit, bei Produktfehlern oder fehlerhaften Dienstleistung - unabhängig von einem Verschulden - die Ansprüche zu befriedigen und selbst abzuwehren.
Dies gilt auch, wenn ein Produkt, wie z.B. eine Software, durch den Auftraggeber verändert (auch ohne Information an den Freelancer) an einen Dritten weitergegeben wurde. Der IT-Freiberufler verzichtet damit auf den Einwand eines Mitverschuldens des Kunden oder seiner sonstigen Rechte aus dem Vertrag.
Konsequenzen für den Versicherungsschutz der IT-Haftpflicht
Deutsche Haftpflichtversicherungsverträge beschränken den Versicherungsschutz in der Regel auf gesetzliche Haftpflichtansprüche. Bei der vorgenannten Klausel handelt es sich jedoch um eine vertragliche Vereinbarung (keine Haftung auf Basis eines Gesetzes, z.B. des BGB), die generell nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist.
Besteht Versicherungsschutz am deutschen Markt? Die Antwort ist: Jein. Denn nur wenige deutsche Versicherer sind in Einzelfällen bereit, den generellen Ausschluss der vertraglichen Haftung in den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) zu streichen. Und wenn, ist damit meist eine deutliche Beitragserhöhung verbunden.
IT-Freelancer sollten deshalb darauf achten, dass die IT-Haftpflicht bzw. IT-Betriebshaftpflicht folgende Regelung beinhaltet:
“Mitversichert sind auch Ansprüche auf Schadenersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen wegen der Nichterfüllung einer vertraglichen oder gesetzlichen Leistungspflicht.”
Klausel: Mitversicherung des Auftraggebers
Die Klausel
Zur bekannten Klausel aus dem ersten Beispiel findet sich folgende Ergänzung:
“Such insurance policies shall include endorsements containing the insurer's waiver of subrogation in favor of COMPANYNAME, naming COMPANYNAME as an additional insured.”
Bedeutung der Klausel
Mit dieser Klausel verlangt der Auftraggeber, dass er so behandelt wird, wie ein Mitarbeiter oder ein Tochterunternehmen des Versicherungsnehmers. Er möchte ausdrücklich als Mitversicherter im Versicherungsschein genannt werden.
Konsequenzen für den Versicherungsschutz
Nach den Versicherungsbedingungen der auf dem Markt gängigen IT-Haftpflicht Produkte besteht kein Versicherungsschutz!
Für die eigentliche Haftungsfreistellung gelten die gleichen Anmerkungen wie im ersten Beispiel: Die Mitversicherung des Auftraggebers ist in der Regel nicht möglich, da der Versicherer damit auf eine Regressmöglichkeit gegenüber dem Auftraggeber bei einem Verschulden oder Mitverschulden verzichtet.
Klausel: Melde-/Nachweispflichten
Die Klausel
“...providing that the coverage called for in this Section may not be terminated or reduced without 30 days advanced written notice to COMPANYNAME. Certificatesof insurance evidencing this coverage will be provided by Contractor before commencing Services.Contractor shall notify COMPANYNAME thirty (30) days in advance of any reduction or cancellation of the coverage set forth above.”
Bedeutung der Klausel
Mit dieser Regelung soll der Versicherer verpflichtet werden, den Auftraggeber über wesentliche Vertragsveränderungen, wie Kündigung des Vertrages oder Veränderung der Versicherungssumme, vorab zu informieren.
Konsequenzen für den Versicherungsschutz
Solche Vereinbarungen werden von deutschen Versicherern grundsätzlich nicht akzeptiert.
Klausel: Nachweis von bestehenden Versicherungen
Die Klausel
“Insurance. During the term of this Agreement and any Task Order, Contractor shall maintain in effect, at its expense, the following minimum levels of insurance coverage: (1) single limit general liability insurance in the amount of 1,000,000 euro per occurrence for bodily injury and property damage caused by the acts or omissions of the Contractor, its employees or agents; (2) comprehensive automobile liability insurance in the amount of 1,000,000 euro, combined single limit liability; (3) workers' compensation and employers liability insurance, including a broad form all states endorsement, in amounts sufficient to satisfy the requirements of the jurisdictions in which Contractor operates, but no less than 1,000,000 euro per occurrence for employer liability; and (4) professional liability insurance, including errors and omissions coverage, in an amount of not less than 1,000,000 euro per occurrence.”
Bedeutung der Klausel
In internationalen Verträgen wird häufig der Nachweis folgender Versicherungsverträge verlangt:
- general liability insurance: entspricht der deutschen Betriebshaftpflichtversicherung (kurz BHV) mit Versicherungsschutz für folgende Schadenarten:
- bodily injury = Personenschäden
- property damage = Sachschäden
- professional liability insurance (Errors and omissions = Fehler und Unterlassungen): entspricht der deutschen Berufshaftpflichtversicherung = Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (kurz VSH)
- automobile liability insurance: entspricht der deutschen Kfz-Haftpflicht
- workers' compensation: entspricht der privaten Arbeiterunfallversicherung (Pflichtversicherung)
- employers liability insurance: entspricht der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (Pflichtversicherung)
Konsequenzen für den Versicherungsschutz
Die unter 1. und 2. angeführten Versicherungen können im deutschen Versicherungsmarkt abgeschlossen werden. Empfehlenswert sind dabei IT-Haftpflicht Verträge mit einem einheitlichen Bedingungswerk für Personen-, Sach- und Vermögensschäden und All-Risk-Deckung.
Die Versicherungen unter den Punkten 4. und 5. sind in Deutschland grundsätzlich nicht abschließbar. Dies liegt an unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den jeweiligen Ländern. In Deutschland sind diese Punkte über die gesetzlichen Sicherungssysteme, wie die Berufsgenossenschaften, geregelt. Zudem hat ein Freiberufler meist keine eigenen Mitarbeiter, so dass diese Versicherungen in doppelter Hinsicht unpassend sind.
Die Versicherung unter Ziffer 3 ist nur sinnvoll, wenn die Tätigkeit tatsächlich in den USA erbracht wird. Der Nachweis wird aber auch standardmäßig bei Projekten außerhalb der USA verlangt. Der Versicherungsschutz kann am besten vor Ort eingedeckt werden (=lokaler Versicherungsvertrag).
Fazit und Empfehlung: “Standard-Verträge” sind ungünstig
Die Betrachtung der anglo-amerikanischen Vertragsklauseln zeigt, dass Auftraggeber hier vielfach leider wenig differenziert ihre “Standard-Verträge” für die Zusammenarbeit mit Dienstleistern im eigenen Land auch den ausländischen Freiberuflern vorlegen.
Für IT-Freelancer sind diese Verträge aber prinzipiell ungünstig, weil sie entweder gar keinen und nur teilweisen Versicherungsschutz bieten. Sofern deutsche Versicherer diese Klauseln überhaupt mittragen, steht der damit verbundene höhere Beitragssatz meist in keinem Verhältnis zum Honorar aus dem Projektauftrag.
Deshalb sollten freiberufliche IT-Experten die beschriebenen Klauseln keinesfalls bedingungslos akzeptieren, sondern mit den hier genannten Argumenten in einen Dialog mit ihrem Kunden treten.
Beratung durch internationalen Versicherer und Vertragsanwalt
Auch die Abstimmung mit dem Versicherer ist hier anzuraten. Generell ist der IT-Freelancer in diesen Fällen am besten bei einem Versicherer aufgehoben, der international (insbesondere in den USA) Risiken versichert und entsprechende Erfahrungen mit IT-Versicherungen hat. Auch hierauf sollte man bereits beim Abschluss eines Vertrages achten.
Und es kann keinesfalls schaden, sich als IT-Freelancer bei solchen Fallkonstellationen von einem erfahrenen Vertragsanwalt beraten zu lassen, um die Haftung auf gesetzliche Haftpflichtansprüche und der Höhe nach auf die Versicherungssumme der IT-Haftpflicht zu beschränken.
Für Bereiche, bei denen die Beschränkung auf die “gesetzliche Haftung” nicht möglich ist, sollten die speziellen Punkte der “vertraglichen Haftung” von der IT-Haftpflicht gedeckt werden, zum Beispiel durch eine Zusatzregelung wie unter Punkt “Haftungsfreistellung des Auftraggebers” erläutert.