Alle Daten weg und nun? Wie Datenrettung abläuft und was sie kostet
Server und Festplatten sind die Schaltzentrale im Business, das digitale Gedächtnis und die Grundlage vieler Arbeitsabläufe. Bricht ein System zusammen und die Daten gehen verloren, bedeutet dies den absoluten Ausnahmezustand fürs Business. Egal ob Freiberufler, Webshop-Betreiber oder Anwalt, beim Verlust von Kunden- und Betriebsdaten ist höchste Alarmstufe angesagt. Die letzte Hoffnung: Eine professionelle Datenrettung! Doch wie stehen die Chancen auf Wiederherstellung und was kostet die Datenrettung?
Für die Beantwortung dieser Fragen haben wir uns von exali.de einen absoluten Experten mit ins Boot geholt.
Experteninterview zur Datenrettung
Peter Böhret ist Managing Director der Kroll Ontrack und ist für das gesamte Datenrettungsgeschäft der GmbH in Europa verantwortlich. Er hat sich unseren Fragen gestellt und erklärt wie Experten bei einer Datenrettung hinter den Kulissen vorgehen und welche Kosten auf den Geschädigten zukommen:
Den klassischen Datenverlust kennt jeder, wo liegen weitere Gefahrenquellen in Sachen Datenverlust?
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Eine weitere wesentliche Gefahrenquelle für einen Datenverlust liegt beim Anwender selbst! Hier muss man unterscheiden zwischen den normalen Mitarbeitern und den Administratoren aus der IT-Abteilung. Neben den klassischen Hardwaredefekten, die zu einem Datenverlust führen, wie die Festplatte oder der Flash-Speicherstick gehen kaputt oder lassen sich nicht mehr ansprechen, sind es vielfach menschliche Fehler, die Daten verschwinden lassen.
Ein typisches Anwenderbeispiel ist hier das unabsichtliche oder gezielte Löschen von Emails oder Daten, die vermeintlich nicht mehr benötigt werden. Ist hier in der Voreinstellung des aktiv-genutzten Servers der Zeitraum für die Wiederherstellungsfunktion zu kurz gewählt, muss meistens der ganze Exchange-, SharePoint oder SQL-Server wiederhergestellt werden, um an die Daten heranzukommen. Anschließend müssen sie umständlich wieder in das aktive System zurückzugespielt werden.
Aber nicht nur bei Anwendern, sondern auch bei IT-Administratoren in den Firmen kommt es zu Datenverlust. Besonders bei virtuellen Systemen sehen wir dabei einen hohen Anteil an menschlichen Fehlern, die das System ausfallen lassen. Da die Benutzeroberflächen der virtuellen Systeme sehr (und teilweise fast schon zu) bedienerfreundlich sind, kann man mit einem einzigen Mausklick einfach mal schnell eine virtuelle Festplatte De-Mounten, ohne dass es vorher eine Warnung gibt. Auch die Möglichkeit real vorhandene Festplatten während des Betriebs durch neue auszutauschen, führt dann schnell zu einem Datenverlust, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, dass diese Platten unter Umständen für den Betrieb des gesamten Systems notwendig sind und nur unter Einhaltung der vorgegebenen Prozess-Austauschvorgaben zu entfernen sind.
Und zu guter Letzt sollte auch jedem Administrator klar sein, dass auch virtuelle Systeme ausfallen können und nicht nur „reale“. Scheinbar ist vielen nicht offensichtlich, dass die virtuellen Systeme wie auch alle anderen Datenspeicher auch ganz normal auf Festplatten lagern und dass deshalb auch hier die gleichen Backup-Regeln gelten und angewendet werden sollten.
Wie hoch sind die Kosten, die bei einer Datenrettung zum Beispiel auf einen Freelancer zukommen?
Natürlich kommt das immer auf den Einzelfall an. Schließlich macht es einen Unterschied, ob der Freiberufler einen Datenverlust bei einem Notebook, Tablet oder einer externen Festplatte zu beklagen hat, oder ob er ein komplexes NAS-RAID-System sowohl als Server als auch als Archivsystem betreibt.
Wenn es sich um eine Einzelfestplatte oder einzelnes Speichermedium handelt, bieten wir von Kroll Ontrack ein spezielles Serviceangebot an: den Economy Service. Dieses Angebot ist besonders dann zu empfehlen, wenn die Datenrettung nicht zeitkritisch ist, also die Daten nicht mittelbar benötigt werden und wenn es sich um unverschlüsselte und nicht geöffnete Einzelfestplatten handelt.
Generell kann man sagen, dass eine Datenrettung bei circa 800 Euro im Economy-Service beginnt und die Preise je nach gewählter Datenrettungs-Service-Variante ansteigen. Dafür kann der Kunde allerdings auch mit einer deutlich schnelleren Bearbeitung und Auslieferung seiner geretteten Daten auf ein neues Speichermedium rechnen.
Was passiert, wenn Kundendaten verloren gehen, ist das bereits das Worst-Case-Szenario?
Wenn einem Anwender die Daten verloren gehen, ist das für ihn immer das Worst-Case-Szenario. Meistens verhält es sich so, dass sich bei uns oft freie Fotografen oder Filmteams melden, denen kurz vor der Abgabe eines Projektes die ganzen oder besonders wichtige Daten verloren gegangen sind. So kam ein TV-Team zu uns, das im Rahmen einer Reportage für einen der großen deutschen Privatsender wichtiges Filmmaterial von einem externen Speicher wiederherstellen lassen wollte, der ausgefallen war.
Oder ein Fotograf dessen Archiv auf einer externen Platte ausgelagert war und er, pünktlich zu einer Ausstellung, nicht mehr drauf zugreifen konnte. In beiden Fällen konnten unsere Spezialisten die verlorenen Daten von den betroffenen Speichermedien wiederherstellen und damit die Freiberufler nicht nur vor Umsatz- und Projektverlust, sondern auch vor Imageverlust retten.
Wie sieht eine typische Datenrettung aus?
Meistens wendet sich der Betroffene per Telefon an unsere Servicemitarbeiter. Nachdem uns der Kunde seine Festplatte oder sein Speichermedium zugeschickt hat, prüfen unsere Mitarbeiter, ob es sich um einen mechanischen oder logischen Fehler handelt, der zu dem Datenverlust geführt hat.
Wenn ein mechanischer Defekt vorliegt, wird die Platte zunächst von den Mitarbeitern des Reinraums so instandgesetzt, dass die vorhandenen Daten ausgelesen und auf unsere Server übertragen werden können. Wenn darüber hinaus noch logische Fehler vorliegen, werden die Daten von den Spezialisten des Datenrettungslabors wieder logisch zusammengesetzt. Nachdem alle wiederherstellbaren Daten wieder vorhanden und überprüft worden sind, werden diese auf ein neues Speichermedium übertragen und dem Kunden zugeschickt.
Bestimmt gibt es in Ihrer Branche die ein oder andere kuriose Geschichte, weshalb Kunden Ihre Daten verloren haben. Können Sie Ihre persönliche Lieblingsgeschichte erzählen?
Es ist wirklich schwer hier auszuwählen, denn ehrlich gesagt, haben wir vom Datenverlust durch Spinnennetze im Desktop bis zum erschossenen Mobiltelefon schon fast alles erlebt. Aber eine besonders skurrile Geschichte war die von dem Wachmann, der einfach nicht vom Rauchen lassen konnte.
Ein neu eingestellter Wachmann tat seinen ersten Abenddienst in einem Lager für chemische Inhaltsstoffe. Sein Vorgesetzter hatte ihm zwar gesagt, dass Rauchen verboten sei, aber wer würde jetzt nach Arbeitsschluss schon mitbekommen, wenn er sich eine Zigarette gönnte? Kurz nach dem Anzünden der Zigarette ertönte der Feueralarm und das Sprinkler-System löste aus. Die gesamte elektronische Ausstattung des Lagers, darunter 44 Desktop-Computer und zwei Server, wurden unter Wasser gesetzt.
Über Peter Böhret, Managing Director Kroll Ontrack GmbH, Vice President Europe DST
Peter Böhret begann seine Karriere als Software-Ingenieur, Projekt-Manager und Sales Manager, bevor er 1996 zunächst als Sales Manager und dann als European Business Development-Manager bei der Ontrack DataRecovery GmbH tätig wurde. Im März 1999 wurde er Managing Director.
2007 wurde Peter Böhret zum Vice President of European Data Recovery ernannt und verantwortet nun das gesamte Datenrettungsgeschäft von Kroll Ontrack in Europa. In seiner neuen Position steht Böhret an der Spitze der europäischen Senior Leadership Group von Kroll Ontrack für den Bereich Datenrettung.