Anwältin bekommt kein Honorar – zu Recht sagt der BGH!
Zwischen Rechtsanwälten herrscht oft ein regelrechter Kampf um Mandanten. Um daraus als Sieger hervorzugehen, müssen Anwälte zunehmend zu kreativen Methoden greifen. Eine davon ist es, mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten und Blankovollmachten auszustellen. Das heißt jedoch auch: Anwälte haben mit ihren Mandanten oft persönlich nichts zu tun. Dass das vertragliche Konsequenzen haben und sogar zum Vertragswiderruf führen kann, hat nun der BGH entschieden…
Anwältin über eine Gesellschaft beauftragt
Der BGH-Entscheidung liegt dieser Fall zugrunde: Eine Rechtsanwältin verklagte ihren Mandanten auf die Bezahlung ihres Honorars. Der Mandant (der Beklagte) hatte sich an einer Fondsgesellschaft beteiligt und wollte dieser gegenüber Ansprüche geltend machen. Von einer Gesellschaft erhielt er ein Schreiben, in dem diese ihm hierfür ihre Dienste anbot und ihn dazu aufforderte, einen ausgefüllten Fragebogen und eine Vollmacht zurückzuschicken. Diesem Schreiben war auch eine Rechtsanwaltsvollmacht beigefügt, ausgestellt auf die Rechtsanwältin. Denn die Anwältin hatte der Gesellschaft Blankovollmachten überlassen, damit diese für sie Mandanten werben kann.
Der Beklagte unterzeichnete diese außergerichtliche Vollmacht und schickte sie an die Gesellschaft zurück. Diese wiederum schickte sie an die Anwältin, die – ohne persönlichen Kontakt zu ihrem Mandanten zu haben – dessen Ansprüche gegen die Fondsgesellschaft geltend machte.
Mandant widerruft seine Vollmacht – Anwältin klagt
Außergerichtlich blieben die Bemühungen der Anwältin jedoch erfolglos, sie konnte die Ansprüche des Mandanten gegen die Fondsgesellschaft auf diesem Weg nicht geltend machen. Deshalb kontaktierte sie ihren Mandanten und forderte von ihm eine Prozessvollmacht, um die Ansprüche gerichtlich durchsetzen zu können. Das wollte der Mandant aber nicht. Deshalb schickte ihm die Rechtsanwältin ihre Rechnung für die außergerichtliche Vertretung zu. Der Mandant wollte die Rechnung nicht bezahlen und wies die Forderung zurück. Gleichzeitig teilte er schriftlich mit, dass er die Vollmachten, die er der Anwältin über die Gesellschaft erteilt hatte, mit sofortiger Wirkung widerruft.
Daraufhin verklagte die Rechtsanwältin ihren Mandanten auf Zahlung ihres Honorars. Damit scheiterte sie sowohl vor dem Erstgericht als auch in der Berufung. Warum? Die Gerichte waren der Auffassung, dass der Anwaltsvertrag in diesem Fall ein Fernabsatzgeschäft ist und der Mandant ihn daher ordnungsgemäß widerrufen hat.
BGH: Anwaltsvertrag kann Fernabsatzgeschäft sein
Nun ging der ganze Streit in Revision und auch dort scheiterte die Anwältin: Der BGH (23.11.2017, Az: IX ZR 204/16) gab dem Berufungsgericht Recht!
Die Begründung: Bei dem Anwaltsvertrag handele es sich tatsächlich um ein Fernabsatzgeschäft und dieses ist widerruflich. Der Mandant hat es mit seinem Schreiben fristgerecht gemäß §§ 312b, 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 BGB (nach der alten Fassung, da der Fall vor dem 12.06.2014 stattfand) widerrufen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem besteht.
Wann ist ein Anwaltsvertrag ein Fernabsatzgeschäft?
Nach § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB aF sind Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen dann Fernabsatzverträge, wenn sie zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Diese Voraussetzungen können auch bei einem Anwaltsvertrag erfüllt sein, so der BGH.
Die Rechtsanwältin argumentierte zwar, dass der Vertragsschluss gerade nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt sei. Die Beweislast dafür lag jedoch bei ihr und die Beweise dafür blieb sie laut Gericht schuldig.
Das Gericht geht davon aus, dass ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegt, wenn der Unternehmer in seinem Betrieb die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, die notwendig sind, regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen.
Dies war bei der Rechtsanwältin der Fall. In der Urteilsbegründung heißt es:
Die Klägerin überließ der Gesellschaft eine Vielzahl von Blankoformularen. Die zum Vertragsschluss führende Abwicklung unter Einbeziehung der Gesellschaft erfolgte für eine Vielzahl von Kapitalanlegerfällen. Für das Vorliegen eines organisierten Vertriebssystems spricht hier auch die Art der Kontaktaufnahme durch die Gesellschaft, sowie der Umstand, dass es sich bei dem von der Klägerin angestrebten Mandatsvertrag um ein von der Klägerin mit standardisierten Schreiben abgewickeltes, überregionales Massengeschäft handelte, das auf Fernkommunikation ohne persönliche Kontaktaufnahme ausgerichtet war.
Kurz gesagt: Es lag in diesem Fall ein Fernabsatzgeschäft vor, der Mandant hat den Vertrag rechtmäßig widerrufen und die Anwältin hat demnach keinen Anspruch auf ihr Honorar.
Telefon, Fax und Briefkasten reichen als Voraussetzung nicht aus
Wer jetzt denkt: „Aber die Voraussetzungen für Fernabsatzgeschäfte hat doch jeder!“, der kann beruhigt sein. Das Gericht stellte nämlich außerdem fest:
Ebenso wenig könnte bei einem Rechtsanwalt ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bejaht werden, wenn dieser lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz, etwa einen Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält, die auch sonst zur Bewältigung des Betriebs einer Anwaltskanzlei erforderlich sind.
Auf die richtige Absicherung setzen
Der Fall zeigt, dass bei aller Kreativität im Kampf um Mandanten schnell etwas schiefgehen kann – bis hin zum Verlust von Honorar.
Neue Wege bedeuten auch neue Risiken. Wenn Rechtsanwälte über Hotlines, Foren, Beratungsseiten im Internet, oder eben durch die Zusammenarbeit mit anderen und mithilfe von Blankoformularen auf Mandantenfang gehen, kann es – durch den mangelnden persönlichen Kontakt zum Mandanten – auch schnell zu Missverständnissen und Beratungsfehlern kommen. Wenn dadurch dem Mandanten Ansprüche durch die Lappen gehen, wird schnell der Anwalt in Haftung genommen. Auch was die Sozialen Medien betrifft gehen Anwälte mit der Zeit und versuchen so, bekannter zu werden und neue Mandanten zu gewinnen. Doch auch hier lauern Gefahren wie Urheberrechts- oder Datenschutzverstöße. Deshalb ist es für Anwälte wichtig, auf eine Berufshaftpflichtversicherung zu setzen, die mit der Zeit geht.
Mit der Anwalts-Haftpflicht über exali.de sind Rechtsanwälte optimal abgesichert, wenn sie bei der Mandantenakquise neue Wege gehen. Sie bietet Schutz vor Veröffentlichungsrisiken, zum Beispiel in sozialen Medien und Blogs. Bei exali gibt es kein Callcenter und keine Warteschleifen. Sie haben jederzeit ihren persönlichen Ansprechpartner – ein großer Pluspunkt, gerade wenn es sich nicht um einen „Standard-Haftungsfall“ handelt.
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