Sturz auf der Badetreppe zum Nordseestrand – muss die Architektin haften?
(Un)übliche Risiken bei der Treppennutzung?
Zieht sich ein/e Passant:in bei der Nutzung einer baulichen Anlage eine Verletzung zu, entflammt schnell eine Debatte darüber, bei welcher Partei die Versäumnisse liegen. Dieser Frage widmete sich nun auch das Oberlandesgericht Schleswig Holstein nach dem schweren Sturz einer Dame auf einer Badetreppe am Nordseestrand. Grundsätzlich gilt: Der Gesetzgeber stellt hohe Anforderungen an Bauwerke. Diese Voraussetzungen gelten auch für Treppen- vor allem, wenn sie von der breiten Öffentlichkeit genutzt werden sollen. Bei besagter Badetreppe zum Nordseestrand hatte das Gericht daher zu bestimmen, ob die Betreiber:innen und die Fachplanerin diesen Anforderungen nachgekommen sind.
Treppenbau ist nicht gleich Treppenbau
Das Gericht erkannte an, dass Treppen aus Beton an Stränden durchaus üblich sind, um Badestellen zu erreichen. Die Anlagen liegen allerdings in der Gezeitenzone und können deshalb schnell rutschig werden, da sich im Laufe des Tages Schwebstoffe ablagern. Aus diesem Grund verfügen sie über Geländer, um einen sicheren Auf- und Abstieg zu ermöglichen. Dabei ist der/dem durchschnittlichen Nutzer:in nach Ansicht des Gerichts klar, dass aufgrund dieser Gegebenheiten eine gewisse Sturzgefahr besteht.
Wer den Strand besucht, muss sich also auf die gängigen Risiken dort einstellen. Dazu gehört auch die potenzielle Gefahr eines Sturzes aufgrund von Schlick, Wellen oder Strömung. Aus diesem Grund unterliegen Badetreppen auch anderen Anforderungen als etwa Treppen in Sport- und Arbeitsstätten. In der Folge sind die Verantwortlichen daher nicht verpflichtet, jedem nur denkbaren Risiko vorzubeugen. Es besteht lediglich die Pflicht, die Nutzer:innen einer Anlage vor den Risiken zu schützen, die über die üblichen Gefahren hinausgehen und einfach nicht vorhersehbar sind.
Die/der mündige Nutzer:in
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein gelangte bei der Klärung der Haftungsfrage zu dem Schluss, dass das auch bei Badetreppen am Wattenmeer gilt. Mündige Nutzer:innen sind daher imstande, mit diesem Risiko eigenverantwortlich umzugehen, indem sie die Treppe vorsichtig nutzen und sich dabei am Geländer festhalten. So sind abgesehen von der Installation eines Geländers sowie der Verwendung eines geeigneten Baumaterials keine weiteren Sicherungen gegen Stürze vorgeschrieben.
Ein Gutachten bringt Gewissheit
Um die Schuldfrage zweifelsfrei zu klären, forderte das Gericht zusätzlich ein Gutachten an. Ein/e Sachverständige:r sollte dabei der Frage nachgehen, ob sowohl die Stufen der Treppe für den Einsatz am Wattenmeer und die verwendeten Baumaterialien für eine Badetreppe geeignet waren. Das Gutachten gelangte zu dem Schluss, dass derartige Treppen keinen öffentlich rechtlichen Normen oder Regelwerken unterliegen, die vorschreiben, dass die Rutschgefahr auf irgendeine Art und Weise besonders gehemmt werden muss.
Die gängigen Regeln zur Unfallverhütung gelten lediglich für Arbeitsräume und betriebliche Verkehrswege. Auch geht es hier nicht um einen klassischen Nass- beziehungsweise Barfußbereich, wie man ihn in Schwimmbädern, Umkleiden oder öffentlichen Duschen findet. Die Vorschriften für Bodenbeläge in diesen Bereichen finden also keine Anwendung auf eine Treppe am Watt – schließlich sind deren Stufen vollkommen anderen Einflüssen ausgesetzt.
Rutschfeste Treppe und Sorgfaltspflicht der Betreiber:innen
Dieser Argumentation entsprechen auch die Messresultate der gutachterlichen Prüfung. Die Untersuchung der Betonteile ergab, dass die Treppe auch unter Wasser noch über eine ausreichende Rutschfestigkeit verfügte. Die Planerin der Treppe hatte sich also für ein geeignetes Baumaterial entschieden und durch ein beauftragtes Bauunternehmen für eine passende Umsetzung gesorgt. Auch die Betreiber:innen der Anlage sind ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen. Da sie Planung und Umsetzung des Projekts an eine Fachplanerin vergeben hatten, konnten sie davon ausgehen, dass die technischen Voraussetzungen für eine Badetreppe einwandfrei erfüllt werden.
Anders läge der Fall nur, wenn die Treppe auch für die Betreiber:innen erkennbar fehlerhaft gewesen wäre. Dieser Fall ging für die Planerin der Treppe also glimpflich aus. Doch egal, ob Treppe, Brücke oder gleich ein komplettes Gebäude – als Architekt:in bestimmen Ihre Planungen und Berechnungen über die körperliche sowie finanzielle Unversehrtheit unzähliger Menschen.
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