Korrespondenz mit dem Gericht: Was Anwälte beachten müssen

Bei der Korrespondenz mit dem Gericht kann im Arbeitsalltag von Anwälten so einiges schiefgehen: Haben sie die richtige Form und die Frist eingehalten? Und dann die spannende Frage: Hat das Gericht das Dokument auch wirklich erhalten und wenn nicht, wer ist schuld daran? Hier erfahren Sie, worauf Anwälte bei der Gerichts-Korrespondenz achten sollten.

Update: BGH Urteil zur Fristwahrung bei Faxversand

Endlich gibt es ein Urteil des BGH zum Thema Fristwahrung beim Faxversand. In dem Fall ging es um einen Patentanwalt, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte. Er hatte ab 22:40 Uhr am Tag des Fristablaufs versucht, einen Schriftsatz an das Gericht zu faxen. Vor Fristablauf waren von den 39 Seiten jedoch nur 35 bei Gericht eingegangen. Obwohl Patentanwälte nicht über ein beA verfügen, hat der BGH auch dieses in seine Entscheidung miteinbezogen:

Fax funktioniert nicht: Anwälte müssen nicht auf beA ausweichen

Der BGH hat festgestellt, dass Rechtsanwälte nicht auf das beA ausweichen müssen, wenn der Faxversand nicht funktioniert. Dafür sei das beA zu störungsanfällig. Außerdem entschied der BGH, dass Anwälte nicht zur aktiven Nutzung des beA verpflichtet werden können, solange dies noch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

 

Berechnungsgrundlage zum fristwahrenden Faxversand

Auch dazu, wie spät Anwälte einen Schriftsatz an das Gericht faxen dürfen, hat der BGH eine konkrete Berechnung aufgestellt: Für jede Seite muss der Rechtsanwalt eine Übermittlungszeit von 30 Sekunden ansetzen und einen Sicherheitszuschlag von insgesamt 20 Minuten hinzurechnen. Wenn der Anwalt sich an diese Vorgaben hält, ist er laut BGH nicht schuld, wenn die Übermittlung des Faxes länger dauert. Klappt innerhalb dieser Zeit die Übermittlung nicht, muss er weitere Versuche starten und diese dokumentieren.

Für den entschiedenen Fall des Patentanwalts heißt das: Die Übermittlung der 39 Seiten hätte ungefähr 20 Minuten gedauert. Inklusive Sicherheitszuschlag von 20 Minuten musste der Anwalt also 40 Minuten vor Fristablauf versuchen, das Fax zu übersenden. Um 22:40 Uhr war er also auf der sicheren Seite. Dass der Faxversand wegen technischer Probleme nicht funktionierte, hat der Anwalt nicht zu verantworten. Daher gewährte ihm der BGH die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Weitere Infos für Anwälte zum Thema Gerichts-Korrespondenz finden Sie nachfolgend:

Schriftform nicht eingehalten: Ein aktueller Beschluss

In diesem aktuellen Fall geht es um eine Dame, die von einem Gericht unter Betreuung gestellt wurde. Sie beantragte die Aufhebung der Betreuung und legte, nachdem das Gericht den Antrag ablehnte, dagegen Beschwerde ein.

Das Landgericht Mainz stufte diese Beschwerde als unzulässig ein und wies sie ab (Beschluss vom 24.10.2018, 8 T 215/18). Was war passiert? Die Betroffene hatte ihre Beschwerde handschriftlich verfasst, unterschrieben und anschließend mit dem Smartphone abfotografiert und via E-Mail an das Amtsgericht gesendet. Laut § 14 Abs. 2 FamFG können Anträge und Erklärungen der Beteiligten auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (zum Beispiel als PDF-Datei), jedoch müssen die Dokumente gemäß § 130a Abs. 3 ZPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder von der zu verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

In diesem Fall war der Fehler der Betroffenen nicht, dass sie das Dokument handsigniert hat, sondern dass sie einen gewöhnlichen E-Mail-Dienst für den Versand des Dokuments benutzt hat. Dieser gilt nicht als sicherer Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO.

Hätte die Betroffene in diesem Fall einen Anwalt an Ihrer Seite gehabt, wäre der Fehler sicher nicht passiert. Jedoch kann es auch Rechtsanwälten passieren, dass sie für versäumte Fristen haften müssen – und das sogar, wenn sie nicht unmittelbar schuld an dem Fristversäumnis sind.

Fristversäumnis wegen unsichtbarer Unterschrift

Ein weiterer Fall, bei dem die Unterschrift eine wichtige Rolle spielt, landete vor dem BGH. In dem Fall hatte eine Rechtsanwältin eine Berufungsbegründung via Telefax beim Landgericht eingereicht. Das Telefax ging am letzten Tag der Frist beim Gericht ein – soweit so gut. Die Rechtsanwältin hatte die Berufungsbegründung allerdings mit einem hellblauen Stift unterschrieben, sodass die Unterschrift sehr blass war. Beim Kopieren von Dokumenten verschlechtert sich in den meisten Fällen der Kontrast. Und das wurde der Rechtsanwältin zum Verhängnis. Als das Telefax beim zuständigen Gericht einging, war die Unterschrift auf den Dokumenten nicht mehr zu sehen.

Weil die Berufungsbegründung nicht unterschrieben innerhalb der Frist eingegangen ist, wurde sie abgelehnt. Die Rechtsanwältin wollte dies aber nicht auf sich sitzen lassen und reklamierte, dass die Fristversäumnis unverschuldet gewesen sei. Schließlich habe sie nicht damit rechnen können, dass eine vorhandene Unterschrift bei der Übermittlung via Telefax verlorengehen kann.

Sie stellte einen Antrag gemäß § 233 ZPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Antrag wurde aber vom OLG mit Hinweis auf ein Organisationsverschulden der Rechtsanwältin abgelehnt.   Laut Gericht hätte die Anwältin die Gefahr erkennen müssen, dass die Unterschrift bei der Kopie durch das Telefax verlorengehen könnte, da allgemeinhin bekannt sei, dass sich beim Kopieren der Kontrast verschlechtern kann. Sie habe somit die Fristversäumnis verschuldet.

Auch das wollte sich die Anwältin nicht gefallen lassen und reichte beim BGH Beschwerde gegen den Beschluss ein. Doch auch hier scheiterte sie. Der BGH teilte die Meinung der Vorinstanz und lehnte die Beschwerde ab (BGH, Beschluss v. 27.9.2018, IX ZB 67/17).

Frist verpasst: Schuld ist (fast) immer der Anwalt

Die Gefahr, eine Frist zu versäumen, besteht für einen Anwalt tagtäglich. In den meisten Fällen haftet der Anwalt selbst für ein berufliches Versäumnis. Nur wenn das Verschulden eindeutig auf sein Büropersonal zurückzuführen ist, kann sich der Anwalt mit einer sogenannten Wiedereinsetzung aus der prekären Lage befreien.

Eine Kanzlei ist in der Regel gut strukturiert und organisiert. Ein Rädchen greift ins andere und sämtliche Vorgänge werden mittels Kanzlei-Software abgewickelt und überwacht – so der Idealfall. Zusätzlich sollten relevante Akten und Dokumente auch schriftlich in Aktenordnern griffbereit sein. Denn trotz aller Organisation kann es sein, dass durch unvorhergesehene Ereignisse eine Frist versäumt wird, wie in dem Fall einer Kanzlei, bei der ein Totalausfall des Servers dafür sorgte, dass sie nicht mehr auf den elektronisch geführten Fristenkalender zugreifen konnte. Der BGH entschied, dass der Anwalt schuld an der Fristversäumnis ist und wies seinen Antrag auf Wiedereinsetzung ab. Begründung: Er habe seine anwaltliche Sorgfaltspflicht verletzt, da er, auch wenn die Technik versagt, dafür sorgen muss, dass Fristen gewahrt werden.

Streik bei der Post: Trotzdem haftet der Anwalt!

Nicht nur elektronisch korrespondieren Rechtsanwälte mit dem Gericht, sondern auch ganz klassisch per Post. Auch dabei kann so einiges schiefgehen – Stichwort Streik. Denn wenn bei der Post gestreikt wird, muss ein Anwalt trotzdem dafür sorgen, dass Unterlagen fristgerecht beim Gericht eingehen. Denn ein Streik wird meist über Presse, Rundfunk und Fernsehen angekündigt. Um seine Sorgfaltspflicht zu erfüllen, muss ein Anwalt demnach auf einen anderen Postdienst zurückgreifen oder alternativ das Faxgerät benutzen. Weitere Informationen dazu gibt es in unserem Artikel: Achtung Fristversäumnis – der Poststreik macht die Haftung möglich!

Wenn das Faxgerät Faxen macht

Apropos Faxgerät: Auch das kann zum unkalkulierbaren Faktor werden, wenn es um das Thema Fristwahrung geht.

Um die Frist zu wahren, muss ein Anwalt am letzten Tag der Frist bis spätesten 23:59 Uhr das Fax an das zuständige Gericht gesendet haben (BGH, Beschluss v. 7.7.2011, I ZB 62/10). Entscheidend ist in diesem Fall der Zeitpunkt, an dem beim Empfänger die vollständigen Signale auf dem Faxgerät eingehen (also gespeichert werden). Wie eng es dabei zugehen kann, zeigt dieser Fall: Ein Anwalt wollte am letzten Tag der Frist eine Berufungsbegründung an das Gericht faxen. Auf dem Sendeprotokoll war 23:59 Uhr vermerkt. Das Fax ging beim Gericht allerdings erst zwischen 00:03 Uhr und 00:05 Uhr ein. Die Frist war somit verstrichen und die Berufung wurde verworfen. Auch ein eingeschalteter Sachverständiger konnte nicht belegen, dass das Fax vollständig vor Ablauf der Frist beim Gericht eingegangen ist.

Hinweis

Ist jedoch das Faxgerät des Gerichts defekt, kann das dem Anwalt nicht angelastet werden (BVerfG, Beschluss v. 1.8.1996, 1 BvR 121/95)

Mehr zum Thema Fristwahrung per Fax gibt es in diesem Artikel von haufe.de. Folgende Checkliste kann Anwälten dabei helfen, die Risiken einer Fristversäumnis mittels Fax zu vermeiden:

Anwalts-Haftpflicht: Schützt nicht vor einer Fristversäumnis, aber vor den Folgen

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Das dies keine „Science Fiction“ sondern leider Realität ist, zeigt dieser echte Schadenfall aus unseren Akten, bei dem eine Anwaltskanzlei für illegales Bitcoin-Mining missbraucht wurde

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