Anwalt für seine Werbefreiheit vor Gericht: Mit diesen Motiven droht Verstoß gegen Berufspflichten!

Leicht bekleidete Damen, Flüchtlingskinder, kranke Menschen… sind sie geeignete Motive für eine Anwalts-Werbung oder nicht? Die Frage, was Anwälte in Sachen Eigenwerbung dürfen und was sie besser lassen, beschäftigt immer wieder deutsche Gerichte. Denn die Berufsordnung setzt Rechtsanwälten enge Grenzen fürs Eigenmarketing. Ein Rechtsanwalt aus Nordrhein-Westfalen soll diese Grenzen nun (erneut) überschritten haben und steht deshalb vor Gericht.

Rechtsanwalt kämpft für seine Werbe-Idee

Eine langbeinige Dame steht auf einem Schreibtisch und tritt mit ihrem High Heel einem Mann auf die Krawatte. Daneben stehen die Worte „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ „Kündigungsschutz?“ und „Coupon“, darunter dann die Adresse eines Rechtsanwalts.

„Sex sells“ auch in der Anwaltskanzlei! Doch was für das Auge des Betrachters eventuell einen gewissen Liebreiz ausstrahlt, mag der Rechtsanwaltskammer Köln so gar nicht gefallen, weshalb diese Werbeanzeige (und noch drei weitere Motive) nun die Justiz beschäftigen. Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer sorgt mit seinen provokanten Marketingideen jedoch nicht zum ersten Mal für Furore.

Zuletzt hatte er mit seiner Anwaltsrobe Schlagzeilen gemacht, nachdem er die Dienstkleidung kurzerhand zur Werbefläche umfunktionierte. Im Artikel „Zeigt her eure Roben, zeigt her euren Werbeplatz: Ein Anwalt im Werbefieber!“ haben wir darüber berichtet. Auch im aktuellen Fall arbeiten wir für die Berichterstattung mit Dr.Riemer zusammen, der uns die Bilder seiner Anzeigen zur Verfügung stellt und uns auf dem Laufenden hält. 

Der Vorwurf? Verdacht auf schuldhafte Pflichtverletzung!

Nachdem die Richter damals die bestickte Robe verboten hatten, geht es nun also um vier Werbeanzeigen, die allesamt im Kölner Stadtanzeiger erschienen sind. Die Richter des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen (AGH) hatten kürzlich zu entscheiden, ob Dr. Riemers Anzeigen das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung verletzen und er selbst dadurch möglicherweise eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat.

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) legen fest, welche Grenzen für Anwälte beim Eigenmarketing einzuhalten sind.

§ 43b BRAO gibt vor:

„Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“

Die BORA ergänzt in §6 unter anderem:

„Der Rechtsanwalt darf über seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.“

Kreative Werbung oder schuldhafte Pflichtverletzung?

Eine der Anzeigen zeigt eine kranke Person (Dr. Riemer hat in der Verhandlung angegeben, dass es sich nicht um einen toten Menschen handeln soll), die – so die Aufschrift auf dem Zettel am Fuß – „nicht rechtzeitig beim Anwalt“ war.

Ein weiteres Werbebild zeigt ein Flüchtlingskind an einer Bahnstrecke laufend. Der Werbetext sagt „Deutschland benötigt Zuwanderung junger Fachkräfte. Helfen wir… gemeinsam“. Außerdem verspricht Dr. Riemer bei Vorlage des Coupons in der Annonce 10 Prozent des Honorars, das ihm die Rechtschutzversicherung bezahlt, sollen an ein Flüchtlingsprojekt gehen.

Die vierte Anzeige besteht aus dem Bild einer Frau, die sich Gedanken um verschiedene Rechtsgebiete wie Versicherungsrecht, Arzthaftungsrecht und Berufsunfähigkeitsrecht macht. Auch diese Werbung enthält einen Gutschein.

Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen

In dem anwaltsgerichtlichen Verfahren haben die Richter jede einzelne Anzeige unter die Lupe genommen. Sowohl der Text als auch die einzelnen Bildmotive wurden besprochen und unter anderem auf ihre Sachlichkeit hin bewertet.

Drei der vier Anzeigen könnten eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellen. Könnten? Ja! Denn ob sich RA Dr. Riemer tatsächlich eine schuldhaften Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, muss nun das Anwaltsgericht Köln klären. Der Beschluss des AGH legt fest, dass über drei der vier Motive nun verhandelt werden muss.

Erotische Frau, kranker Mensch, Flüchtlingskind oder die nachdenkliche Frau….welches Motiv könnte da wohl das nötige Maß an Sachlichkeit verkörpern? Richtig! Die nachdenkliche Frau stieß in der Verhandlung auf die wenigste Kritik, der Beschluss des AGH sieht vor, dass Rechtsanwalt Dr. Riemer damit nicht gegen seiner Berufspflichten verstoßen hat.

Nicht jeder Rechtsanwalt ist so innovativ und experimentierfreudig in der Eigenwerbung wie Dr. Martin Riemer. Pflichtverletzungen können jedoch auch in vielen anderen Tätigkeitsbereichen von Anwälten lauern, deshalb sollten Anwälte bei der Wahl ihrer Pflichtversicherung auf einen vertrauensvollen Ansprechpartner setzen. Bei der Anwalts-Haftpflicht über exali.de landen Sie im Schadenfall nicht in anonymen Callcentern, wir kümmern uns persönlich um Ihr Anliegen. Darüber hinaus sind durch die Besonderen Bedingungen von exali.de auch Veröffentlichungsrisiken (z.B. in Fachmedien, auf Webseiten, in den sozialen Medien oder auf Blogs) im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit explizit versichert.

Weiterführende Informationen:

© Sarah-Yasmin Fließ – exali AG

© Bilder: Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer