BGH-Urteil: 3 Anhaltspunkte, dass Sie zu Unrecht abgemahnt wurden
Briefkästen beschäftigen drei Gerichte
In dem Verfahren, in dem der BGH die Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung benannt hat, verklagte eine Händlerin, die Briefkästen verkauft, über mehrere Instanzen hinweg eine Baumarktkette. An diese hatte sie zuletzt vor zehn Jahren ihre Briefkästen verkauft. Der Grund hierfür war, dass die Baumärkte Briefkästen mit dem Aufdruck „umweltfreundlich produziert“ und „geprüfte Qualität“ verkauften. Diese Aussagen hielt die Klägerin für irreführend und erwirkte zunächst gegen den Hersteller der Briefkästen eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Danach mahnte sie die Baumarktzentrale und anschließend über 200 Baumärkte der Kette ab, jedoch erfolglos.
Daraufhin reichte die Händlerin Klage vor dem Landgericht München ein, das diese für rechtsmissbräuchlich hielt. Doch damit nicht genug: Gegen diese Entscheidung ging die Händlerin in Berufung vor dem Oberlandesgericht, das ihr Recht gab. Daraufhin ging die Beklagte (die Baumarktkette) in Revision beim BGH, der sich letztendlich dem erstinstanzlichen Urteil des LG München anschloss und die Klage wegen Rechtsmissbrauch abwies (BGH, Urteil vom 26.04.2018, Az: I ZR 248/16).
BGH formuliert drei Indizien für eine unrechtmäßige Abmahnung
Im Zuge dieser Entscheidung formulierte der BGH mehrere Anhaltspunkte, die auf eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung hinweisen. Demnach ist eine Abmahnung unrechtmäßig, wenn
1. die Prozesskosten des Abmahnenden in keinem Verhältnis zu seinem Jahresgewinn stehen
Der BGH stellte in seinem Urteil fest, dass die Kosten der Rechtsverfolgung (also Anwalts- und Gerichtskosten) immer in einem vernünftigen Verhältnis zum Gewinn des Abmahnenden stehen müssen. Dazu der BGH: „Kein kaufmännisch handelnder Unternehmer wird Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen existenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder Aktivprozessen eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat.“ Das beste Beispiel ist der vorliegende Fall: Die Händlerin mahnte 50 Internethändler und über 200 Baumärkte ab, dabei entstanden ihr Anwaltskosten in sechsstelliger Höhe. Und das bei einem Jahresgewinn von 6.000 Euro im Jahr 2013.
2. der Abmahnende kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat
Jemand, der eine Abmahnung verschickt, muss ein echtes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass derjenige, der abgemahnt wird (also zum Beispiel ein Wettbewerber) mit dem Rechtsverstoß aufhört. Das heißt, er muss durch das Verhalten des Abgemahnten wirklich geschädigt werden. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin schon seit mehr als zehn Jahren keine Briefkästen mehr an die beklagten Baumärkte verkauft. Eine irreführende Werbung auf den anderen Briefkästen, die die Klägerin abmahnte, kann also gar nicht dazu geführt haben, dass die Klägerin weniger Briefkästen verkauft hat.
3. der Abmahnende unverhältnismäßig vorgeht
Im vorliegenden Fall muss laut BGH zudem berücksichtigt werden, dass die Klägerin bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller der Briefkästen erwirkt hatte. Dieser war daher verpflichtet, keine Briefkästen mit der beanstandeten Werbung mehr auszuliefern und auf die Baumärkte einzuwirken, diese nicht mehr zu verkaufen. Anstatt es damit gut sein zu lassen mahnte die Händlerin anschließend auch noch massenhaft die Baumärkte ab. Laut BGH ist dieses Verhalten „aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmens eindeutig nicht interessengerecht.“ Es entspreche „kaufmännischer Vernunft, nicht durch Massenabmahnungen ein Kostenrisiko in sechsstelliger Höhe einzugehen, sondern den Ausgang des Verfügungsverfahrens abzuwarten.“
Anhaltspunkte des BGH geben mehr Sicherheit
Zwar muss weiterhin im Einzelfall entschieden werden, ob eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist oder nicht. Jedoch gibt es durch diese Entscheidung des BGH nun klare Anhaltspunkte, die Abgemahnten dabei helfen können herauszufinden, ob sie rechtmäßig abgemahnt wurden.
Tipp: Eine weitere Entscheidung des BGH, in der dieser einen Rechtsmissbrauch festgestellt hat, können Sie hier nachlesen: BGH: Unterlassungserklärung kann wegen Abmahnmissbrauch gekündigt werden.
Allgemein gilt: Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, lassen Sie diese zuerst rechtlich prüfen und unterschreiben Sie niemals voreilig eine Unterlassungserklärung. Wenn Sie eine Berufshaftpflicht abgeschlossen haben, melden Sie dem Versicherer unverzüglich, wenn Sie abgemahnt wurden. Diese Grafik zeigt Ihnen, was der Berufshaftpflichtversicherer bei einer Abmahnung macht:
Die 3 Kriterien des BGH in unserem Video:
Abmahnung rechtmäßig oder nicht? Berufshaftpflicht prüft erst und zahlt dann!
Wenn Sie eine Berufshaftpflicht über exali.de abschließen, stehen Sie im Fall einer Abmahnung nie alleine da. Der Versicherer prüft erst auf eigene Kosten, ob die Abmahnung berechtigt ist und passt gegebenenfalls die Unterlassungserklärung an. Ist die Abmahnung unberechtigt, wehrt er die Ansprüche auf eigene Kosten ab. Ist sie gerechtfertigt, bezahlt er die Kosten und die Schadenersatzforderung.
Sie können alle unsere Versicherungen ganz einfach online abschließen. Sollten Sie trotzdem Fragen haben, rufen Sie uns gerne an: Bei uns hängen Sie nicht in der Warteschleife und werden persönlich von unseren Versicherungsexperten beraten.
© Ines Rietzler – exali AG