BGH: Unterlassungserklärung kann wegen Abmahnmissbrauch gekündigt werden
Onlinehändler soll gegen Unterlassungserklärung verstoßen haben
Der Sachverhalt, der dem Urteil vorausging, ist folgender:
Ein Onlineshop, der Kopf- und Ohrhörer verkauft, wurde von einem Wettbewerber wegen Verstößen gegen das Elektro- und Elektronikgerätegesetz und gegen die Pflicht zur CE-Kennzeichnung abgemahnt. Die Abmahnung enthielt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die der abgemahnte Shopbetreiber unterschrieb. Noch im gleichen Monat kaufte der Konkurrent, der die Abmahnung verschickt hatte, in dem Onlineshop sieben Kopf- und Ohrhörer und mahnte diesen daraufhin wegen Verstößen gegen die Unterlassungsvereinbarung ab. Außerdem führte er über einen längeren Zeitraum weitere Testkäufe bei dem Shopbetreiber durch und verklagte diesen vor dem Landgericht auf Zahlung von Vertragsstrafen.
Seine Ansprüche stützte er dabei auf die Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung, die er durch seine Testkäufe festgestellt hatte (unter anderem die nicht ordnungsgemäße Kennzeichnung der Kopf- und Ohrhörer). Pro Verstoß verlangte er 5.100 Euro Vertragsstrafe von dem Onlinehändler, insgesamt 35.700 Euro!
Was ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung?
Jede Abmahnung beinhaltet eine Aufforderung zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit dieser verpflichtet sich der Schuldner (der Abgemahnte) gegenüber dem Gläubiger (dem Abmahnenden), das abgemahnte Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Für den Fall, dass er gegen diese Verpflichtung verstößt, muss er eine Vertragsstrafe zahlen.
Achtung: Wenn Sie eine Abmahnung erhalten und die strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschreiben, ist das ein Schuldanerkenntnis! Das heißt, Sie geben zu, dass Sie die Rechtsverletzung, die Ihnen in der Abmahnung vorgeworfen wird, begangen haben und Sie diese nicht wiederholen werden. Tun Sie das doch – egal ob bewusst oder unbewusst – müssen Sie eine teils sehr hohe Vertragsstrafe zahlen. Deshalb sollten Sie niemals eine Unterlassungserklärung leichtfertig und ohne vorherige rechtliche Überprüfung abgeben! Weitere Infos zur Unterlassungserklärung finden Sie hier.
Kündigung der Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauch
Dieses Vorgehen wollte sich der abgemahnte Shopbetreiber nicht gefallen lassen und kündigte noch vor der Verhandlung vor dem Landgericht die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich mit der Begründung, das Vorgehen des Klägers (des Wettbewerbers) sei rechtsmissbräuchlich.
Und so sah es auch das Landgericht: Es wies die Klage ab und verurteilte den Kläger dazu, dem Beklagten (dem abgemahnten Shopbetreiber) die Kosten für die Abwehr der Abmahnung zu erstatten. Auch mit seiner Berufung und schließlich der Revision vor dem BGH (Urteil vom 14.02.2019, Az: I ZR 6/17) hatte der Kläger keinen Erfolg. Alle Gerichte bestätigten das Urteil des Landgerichts.
Ihre Entscheidungen begründeten die Gerichte wie folgt:
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung gilt als wichtiger Grund, um eine auf dieser Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung zu kündigen. In diesem Fall sei der Kläger bei seiner Abmahnung gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich vorgegangen.
Rechtsgrundlage zur Kündigung einer Unterlassungserklärung
Eine Unterlassungsvereinbarung gilt als Dauerschuldverhältnis. Und diese kann jeder Vertragspartner gemäß § 314 Abs. 1 S. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Nach § 314 Abs. 2 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor,
„wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“
Wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt laut Gericht vor, wenn der Abmahnende durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs allein das Ziel verfolgt, den Abgemahnten zu schädigen oder Gebühren zu erzielen. Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch seien außerdem, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, dessen Abmahnungen „System“ haben und außerdem sein Rechtsanwalt das Abmahngeschäft in Eigenregie betreibt, um Gebühren durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen einzunehmen. All diese Voraussetzungen waren nach Ansicht der Richter in diesem Fall gegeben.
Kein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe
Außerdem stellten die Gerichte fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe zusteht, auch wenn der Beklagte schon vor der Kündigung der Unterlassungsvereinbarung gegen diese verstoßen hat, da auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) schon vor der Kündigung bestand. Einfach gesagt: Die Abmahnung war rechtsmissbräuchlich und das war sie von Anfang an, also auch schon vor der Kündigung, und damit steht dem Kläger auch keine Zahlung der Vertragsstrafe zu.
Berufshaftpflicht prüft Abmahnungen auf eigene Kosten
Der Fall zeigt, dass Abmahner nicht alles dürfen und eine Unterlassungserklärung gekündigt werden kann, wenn die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war. Noch besser ist es jedoch, bevor eine Unterlassungserklärung unterschrieben wird, rechtlich prüfen zu lassen, ob die Abmahnung überhaupt berechtigt ist und ob die Unterlassungserklärung modifiziert werden kann.
Wenn Sie eine Berufshaftpflichtversicherung über exali.de abschließen, sind Sie im Falle einer Abmahnung rundum abgesichert. Denn der Berufshaftpflichtversicherer prüft zunächst auf eigene Kosten, ob die Abmahnung berechtigt ist, passt gegebenenfalls eine notwendige Unterlassungserklärung inhaltlich an, wehrt unberechtigte oder überzogene Ansprüche ab und zahlt am Ende die berechtigten Kosten und die Schadenersatzforderung.
Sie haben Fragen zum perfekten Versicherungsschutz für Ihr Business? Dann rufen Sie uns gerne an! Bei exali.de gibt es kein Callcenter und keine Warteschleife, Ihr persönlicher Ansprechpartner ist jederzeit für Sie da.
© Ines Rietzler – exali AG