Barrierefreie Website: Was bedeutet das neue Gesetz für Freelancer?
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Bezogen auf Websites bedeutet Barrierefreiheit vor allem eines: Eine Onlinepräsenz muss auch für Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung robust wahrnehmbar, bedienbar und verständlich sein. In diesem Zusammenhang sind die vier Prinzipien der Barrierefreiheit besonders wichtig. Sie bilden die Basis der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese Guidelines enthalten detaillierte Vorgaben darüber, wie Online-Inhalte barrierefrei gestaltet werden sollen. Das World Wide Web Consortium (W3C) hat dabei drei Level herausgearbeitet, um die verschiedenen Stufen genau zu beschreiben. Level A steht für das Erfüllen minimaler Standards, Level AAA für umfassende Barrierefreiheit.
Diese Vorgaben sind seit Oktober 2023 das Maß für barrierefreie Websites. In diesem Abschnitt betrachten wir die Bedeutung der einzelnen Punkte:
- Wahrnehmbar: Alle Besucherinnen und Besucher der Website müssen das Interface und alle verfügbaren Informationen aufnehmen können – auch dann, wenn sie bei einzelnen Sinnen eingeschränkt sind.
- Bedienbar: Alle Funktionen der Website müssen für Nutzende gut bedienbar sein. Das verlangt ein zugängliches Interface und erkennbare Interaktionspunkte, die für jede Person nutzbar sind.
- Verständlich: Sämtliche Besucherinnen und Besucher einer Website müssen die dort verfügbaren Informationen und die notwendige Bedienung problemlos nachvollziehen können.
- Robust: Die Website muss auf möglichst vielen Geräten wahrnehmbar und nutzbar sein. Das erstreckt sich auch auf künftige Geräte.
Eine Website soll also für alle ohne technische Hilfsmittel konsumierbar und bedienbar sein, auch wenn diese Personen Einschränkungen haben. Ist einer dieser vier Punkte nicht erfüllt, ist eine Website nicht barrierefrei.
Eine rechtssichere geschäftliche Website muss viele Kriterien erfüllen. Dazu gehört auch ein Impressum. Worauf es dabei ankommt, lesen Sie Im Artikel Was gehört ins Impressum? Diese Pflichtangaben müssen Sie machen!
Für wen ist das wichtig?
Manche Menschen können eine Website aufgrund körperlicher und geistiger Einschränkungen nicht so nutzen, wie es eigentlich angedacht ist. Diese Einschränkungen sind vielfältig und betreffen viele Leute. Beeinträchtigungen, die die Nutzung einer Website erschweren, können zum Beispiel motorischer, sensorischer, visueller, auditiver oder kognitiver Natur sein.
- Motorisch/sensorisch: Amputation, Lähmung
- Visuell: Blindheit
- Auditiv: Schwerhörigkeit oder Taubheit
- Kognitiv: Demenz, Migräne
Zusätzlich können Beeinträchtigungen dauerhaft, zeitweilig oder situationsbedingt auftreten.
Wo bestehen auf Websites Barrieren?
Es gibt ein paar „klassische“ Punkte, die Menschen mit Einschränkungen bei der Nutzung von Websites regelmäßig Probleme bereiten:
- Text und Hintergrund heben sich nicht gut genug voneinander ab.
- Die Buchstaben sind zu klein und die Textgröße lässt sich nicht individuell anpassen.
- Videos haben keine Untertitel.
- Elemente lassen sich mit der Tastatur gar nicht oder nur mühselig ansteuern (zum Beispiel bei Formularfeldern).
- PDF-Texte werden nicht erkannt und können damit nicht vorgelesen werden.
- Texte sind zu kompliziert formuliert.
- Bilder haben keinen Alternativtext, den Screenreader nutzen können.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch weitere Punkte, die einer barrierefreien Nutzung von Websites entgegenstehen. Wenn Sie die hier aufgeführten Punkte berücksichtigen, bringen Sie Ihre Onlinepräsenz aber bereits schon ein großes Stück voran.
Wer profitiert von Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit ist nicht nur gut für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn Sie möglichst vielen Leuten den Zugang zu Ihrer Website ermöglichen, erhöhen Sie zugleich auch die Sichtbarkeit Ihrer Onlinepräsenz. Denn auf diese Weise wird sie für mehr Menschen nutzbar.
In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass viele Punkte der Barrierefreiheit vor allem mit standardkonformem HTML umsetzbar sind. Damit lassen sich die Bestandteile einer Website klar gliedern und interaktive Elemente sind eindeutig markiert. So erhalten Sie schlankeren Code und damit eine schnellere Website, die Google besser versteht und höher rankt. Auf diese Weise machen Sie Ihr Angebot nicht nur mehr Leuten zugänglich, sondern verschaffen sich auch einen Wettbewerbsvorteil.
Die gesetzliche Basis für Barrierefreiheit
Die Grundlage für die neuen Vorgaben bildet das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Dieses Gesetz setzt die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments zu Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act) in deutsches Recht um.
Davon betroffen sind Produkte, die nach dem 28. Juni in Verkehr gebracht werden und für Dienstleistungen, die ab diesem Tag erbracht werden. Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit bietet zu diesem Thema viele begleitende Informationen.
Diese Produkte sind betroffen
Paragraf 1 Absatz 2 BFSG bestimmt, für welche Produkte das neue Gesetz gilt – das sind unter anderem:
- Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones
- Smart-TVs
- E-Book-Lesegeräte
- Automaten mit interaktiven Elementen, zum Beispiel Geldautomaten
- Router
All diese Produkte müssen bei Herstellung und Verpackung den neuen Vorgaben entsprechen. Für bestehende Produkte gilt das nur, wenn sie auch nach dem 28. Juni 2025 weiterverkauft werden. Ausnahmen gibt es, wenn dafür grundlegende Änderungen am Produkt notwendig wären oder diese Maßnahmen so umfassend ausfallen, dass sie für das Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko bedeuten.
Im Schadenfall nicht allein
Freelancer, Selbständige und Unternehmen müssen viele Vorgaben einhalten. Wenn dabei trotz aller Sorgfalt doch mal etwas schiefgeht, müssen Sie sich Konsequenz wie Abmahnungen und Schadenersatzforderungen nicht allein stellen. Eine Berufshaftpflicht über exali schützt Ihr Business vor den Folgen eines solchen Versehens und sichert die Liquidität Ihres Unternehmens.
Diese Dienstleistungen sind betroffen
Paragraf 3 BFSG enthält die Dienstleistungen, die von der neuen Gesetzgebung betroffen sind, zum Beispiel:
- Telefon- und Messenger-Dienste
- Bankdienstleistungen
- Elektronischer Geschäftsverkehr
- eBooks
- Dienstleistungen des überregionalen Personenverkehrs, wenn sie auf Mobilgeräten angeboten werden (inklusive dazugehöriger Apps)
- Dienste zur Personenbeförderung allgemein (bei Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten sind nur interaktive Selbstbedienungsterminals konkret betroffen)
Hier gelten ähnliche Ausnahmen wie bei betroffenen Produkten.
Ebenfalls von den neuen Regelungen betroffen ist der elektronische Geschäftsverkehr. Das umfasst alle geschäftlichen Transaktionen, die auf einer Website möglich sind. Dazu gehören eCommerce, Kontaktaufnahme, das Buchen von Terminen und andere Interaktionsmöglichkeiten. Wir betrachten diesen wichtigen Punkt in den nächsten Abschnitten genauer.
Diese Websites sind betroffen
Neben Banken, Personenbeförderungs- und Mediendiensten müssen auch Unternehmen, die Onlinehandel betreiben oder einen Service wie Online-Terminbuchungen bieten, ihre Websites künftig barrierefrei gestalten. Denn bei diesen Angeboten handelt es sich um sogenannte „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“. Deshalb werden viele Websites, insbesondere, wenn sie sich an Endverbraucherinnen und -verbraucher richten, unter die neuen Regelungen fallen.
Der Begriff der „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ bezieht sich auf Dienstleistungen, die ohne gleichzeitige Anwesenheit der beteiligten Parteien elektronisch erbracht werden. Als elektronisch erbracht gilt eine Dienstleistung, wenn Geräte Daten elektronisch speichern und verarbeiten. Anschließend werden diese von einem Punkt zum anderen gesendet. In der Regel findet die Dienstleistung auch erst auf Anfrage des Verbrauchers statt.
Im Zweifelsfall handelt es sich allerdings stets um eine Einzelfallentscheidung, die Unternehmen nur mit juristischer Unterstützung fällen sollten.
Ausnahmen für Kleinstunternehmen
Unter bestimmten Voraussetzungen müssen sogenannte Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten, ihre Website nicht an die neuen Regelungen anpassen. Darunter fallen Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und entweder höchstens 2 Millionen Euro Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Millionen Euro. Trifft nur einer dieser Punkte nicht zu, muss das Unternehmen die Vorgaben des BFSG einhalten. Unternehmen, die Produkte herstellen, können sich grundsätzlich nicht auf diese Ausnahmeregelung berufen.
Ein weiterer relevanter Aspekt für rechtlich sichere Websiten ist das Urheberrecht. Rechtanwältin Denise Himburg verrät im Gastartikel, was Freelancer und Selbständige beachten müssen.
Maßnahmen für eine barrierefreie Website
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Unternehmen bereits jetzt umsetzen können, um ihre Website für alle Menschen nutzbar zu machen.
- Schriftgröße und Schriftart sollten eine gute Lesbarkeit der Texte ermöglichen und einen ausreichend starken Kontrast zum Hintergrund aufweisen.
- Die Website sollte sich samt Texten vergrößern lassen und auch dann noch gut nutzbar sein – das gilt insbesondere für interaktive Elemente.
- Videos benötigen Untertitel.
- Interaktive Elemente (Links, Formulare, Buttons etc.) sollten im Quellcode richtig ausgezeichnet sein, sodass der Screenreader alles gut ausgeben kann und Nutzende alle Elemente über die Tastatur ansteuern können.
- Dokumente wie PDFs sollten barrierefrei gestaltet und umgesetzt sein.
- Texte müssen verständlich gestaltet und sinnvoll strukturiert sein. Gut ist es außerdem, Inhalte in leichter Sprache anbieten, sodass sich auch Nutzende mit eingeschränkten Sprachkenntnissen zurechtfinden.
- Bilder brauchen einen Alternativtext.
- Eine Kontaktaufnahme ist im Idealfall auf verschiedenen Wegen möglich (E-Mail, Telefon, persönlich).
Um die Barrierefreiheit einer Website zu prüfen, können Unternehmen auf verschiedene Tools zurückgreifen. Lighthouse von Google ist direkt in den Chrome Browser integriert. Es analysiert die Zugänglichkeit einer Website und liefert umfassende Erkenntnisse darüber, wie sich eine Onlinepräsenz barrierefrei gestalten lässt.
Bis wann müssen die Vorgaben umgesetzt sein?
Bis zum 28. Juni 2025 müssen Betroffene die Regelungen des BFSG umsetzen. Content, der vor diesem Stichtag erstellt wurde, muss allerdings nicht gezwungenermaßen barrierefrei erstellt sein (außer es handelt sich um interaktive Elemente).
Die Marktüberwachungsbehörden stellen die Einhaltung des Gesetzes sicher. Bei einem Verstoß haben Verantwortliche des betreffenden Unternehmens die Möglichkeit, sich darüber zu äußern, ob ihrer Meinung nach Ausnahmen gelten. Gegebenenfalls erhält das Unternehmen anschließend eine Frist, um den Verstoß zu beheben. Ergreift es diese Möglichkeit nicht, kann die Behörde das beanstandete Angebot verbieten. Auch Bußgelder bis zu 100.000 Euro sind möglich, da es sich bei einem Verstoß gegen das BFSG um eine Ordnungswidrigkeit handelt.
Von Barrierefreiheit profitieren alle
Die Anforderungen des BFSG bringen für betroffene Unternehmen viel Aufwand mit sich, doch der lohnt sich für alle Beteiligten. Denn so haben nicht nur Nutzer mit Beeinträchtigungen besseren Zugang zu mehr Websites. Unternehmen, die ihre Website verbessern, erhöhen auch automatisch die Qualität ihrer Onlinepräsenz und sind durch Suchmaschinen besser auffindbar. Mit Barrierefreiheit gewinnen also alle.