Gemeinfreies Bild: Mannheimer Museum mahnt trotzdem ab

Wer hat das Recht am Bild? Diese Frage beschäftigt jährlich zu tausenden deutsche Gerichte. Auch ein Mannheimer Museum hat sich kürzlich in die Riege derer eingereiht, die die Frage nach Bildrechten juristisch klären möchten. Es verschickt Abmahnungen für die Verwendung eines Wagner-Porträts, das eigentlich schon seit 1956 gemeinfrei ist.

Update vom 18.01.2019: BGH-Urteil im Fall Wikipedia ist gefallen

Im Rechtsstreit zwischen den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen und der Online-Enzyklopädie Wikipedia ging es um ein im Internet veröffentlichtes Foto von einem Porträt des Komponisten Richard Wagner.
In den Vorinstanzen hat jeweils die Klägerin (das Museum) Recht bekommen. So entschieden das LG Stuttgart (Urteil vom 27. September 2016, Az. 17 O 690/15) und das OLG Stuttgart (Urteil vom 31. Mai 2017, Az. 4 U 204/16), dass Fotos von gemeinfreien Kunstwerken einen eigenständigen Schutz genießen und gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 UrhG urheberrechtlich geschützt sind. Auch wenn Wikipedia selbst die Fotos des Porträts angefertigt hat, dürfen diese nicht veröffentlicht werden, denn der Museumsinhaber kann von seinem Eigentums- und Hausrecht Gebrauch machen und das Fotografieren in den Räumen des Museums untersagen. In seinem Urteil vom 20.12.2018 (Az: I ZR 104/17-Museumsfotos) bestätigte nun der BGH diese Rechtsauffassung. Das Museum kann in diesem Fall verlangen, dass Wikipedia es unterlässt, die Bilder frei zugänglich ins Netz zu stellen. Wer in einem Museum trotz Verbotsschilder Fotografien von Werken anfertigt und die Bilder ins Netz stellt, kann vom Museum wegen einer Vertragsverletzung auf Schadensersatz verklagt werden.

Unseren ursprünglichen Artikel vom 21.08.2015 können Sie hier nachlesen:

Gemeinfreiheit ja oder nein?

Etwas mürrisch, mit bleichem Gesicht und eigenwilligem Bart blickt Richard Wagner hoheitsvoll aus einem Artikel bei Wikipedia. Die Abbildung stammt von dem deutschen Maler Cäsar Willich der den selbstbewussten Komponisten im Jahr 1862 porträtierte. Das Original hängt in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen.

Heute, über 150 Jahre später, sorgt eben jenes Porträt für besorgte Gesichter bei einigen Webseitenbetreibern, darunter auch die bekannte Online-Enzyklopädie. Denn das Museum mahnt derzeit Internetseiten ab, die das Bild verwenden.

Der gefeite Leser mag nun aufmerken, denn Gemälde werden in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers gemeinfrei – und Cäsar Willich ist seit knapp 130 Jahren tot. Wofür mahnen die Museen also nun ab?

Gemeinfreiheit

Gemeinfreiheit bedeutet, dass an der geistigen Schöpfung (in unserem Fall das Wagner-Portrait) keine Immaterialgüterrechte beispielsweise Urheberrechte bestehen, sie also zur Verwendung freigegeben sind. Gemeinfreiheit kann sich in unterschiedlichen Faktoren begründen, zum Beispiel durch Zeitablauf (wie im Fall des Wagner-Porträts), strukturelle Gemeinfreiheit (ein Werk besitzt nicht ausreichend Individualität oder Originalität, um Schutzfähigkeit zu rechtfertigen), Entlassung in die Gemeinfreiheit (der Urheber tritt seine Rechte ab) oder durch Schrankenbestimmungen (Aufhebung der Immaterialgüterrechte für bestimmte Verwendungen).

Bild vom Bild sorgt für Abmahnungen

Im Zentrum der Abmahnung wegen Urheberrechtsverstoßes steht nicht das Porträt direkt, sondern das Foto, das das Porträt zeigt. Laut Mannheimer Museum wurde dieses Bild vom Fotografen des Museums erstellt und ist damit urheberrechtsgeschützt.

Nun mag der kluge Leser erneut einen Einwand haben: Um urheberrechtlich schutzfähig zu sein, muss ein Werk Merkmale persönlicher geistiger Schöpfung aufweisen. Ist das Foto eines Porträts eine persönliche geistige Schöpfung?

Urheberrechtsschutz und Schöpfungshöhe

In dieser Streitfrage hat die Kanzlei Mueller.legal vor dem Landgericht Berlin bereits ein eindeutiges Urteil erwirkt, wonach die Fotografie eines gemeinfreien Gemäldes durchaus urheberrechtlichen Schutz genießt.

Auf der Kanzleiseite schreibt Rechtsanwalt Carl Christian Müller dazu:

 
 
"Mit der Entscheidung ist bestätigt, dass auch Fotografien von zweidimensionalen Kunstwerken urheberrechtlichen Schutz beanspruchen können. Dies erscheint auch gerechtfertigt, da mit der Aufnahme von Gemälden ein nicht unerheblicher Aufwand, insbesondere was die Ausleuchtung des Bildes betrifft, einhergeht. Darüber hinaus verbleiben dem Fotografen bei der Fotografie eines Gemäldes auch gestalterische Elemente. So muss er insbesondere einen eventuellen Untergrund und den Ausschnitt, z.B. mit oder ohne Bilderrahmen, wählen sowie hinsichtlich der Erkennbarkeit der Struktur der Oberflächenbeschaffenheit, der Abstimmung der Kamera und des Objektives, der Ausleuchtung des Gemäldes und schließlich des Farbabgleichs mit dem Original Entscheidungen treffen, die auch kreativen Gestaltungsspielraum eröffnen."

Wikipedia sieht die Sachlage derzeit offensichtlich anders, denn das Bild ist nach wie vor dort abzurufen, allerdings mit einem Hinweis versehen:

 
 
"Das Gemälde ist gemeinfrei, da der Maler länger als 70 Jahre tot ist. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Fotografie des Gemäldes nicht urheberrechtlich schutzfähig. (…) Die Reiß-Engelhorn-Museen Mannheim gehen derzeit dennoch gegen Nutzer des Fotos vor."

Urteil für die Praxis

Im täglichen Business bedeutet dieses Urteil, dass bei der Verwendung von Bildern noch mehr aufgepasst werden muss als bisher. Gemeinfreiheit ist eine tolle Sache, doch sie vermittelt auch eine trügerische Sicherheit. Deshalb unbedingt doppelt prüfen, wenn Bilder von „alten Meistern“ verwendet werden, denn das Foto vom Bild könnte sehr wohl geschützt sein.

Sollte Ihnen dennoch im Business ein Fehler passieren und Ihr Kunde dadurch eine Abmahnung bekommen, so schützt Sie eine gute Berufshaftpflicht. In der Media-Haftpflicht über exali.de ist nicht nur ein passiver Rechtschutz integriert, der Sie vor ungerechtfertigten Ansprüchen Dritter schützt, sondern auch ein Schutz vor den finanziellen Folgen von Rechtsverletzungen, zum Beispiel des (Bild)Urheberrechts.

 

© Sarah-Yasmin Fließ – exali AG