Sozienklausel, BGH-Rechtsprechung zur GbR und das Problem der Durschnitts-Versicherungsleistung – Teil 3

Stolperstein Sozienklausel: Auch bei der GbR kann die Regelung für Deckungslücken im Versicherungsschutz sorgen, wenn die zusammen geschlossenen Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftprüfer mit unterschiedlichen hohen Deckungssummen bzw. verschiedenen Bedingungen versichert sind. Im dritten und letzten Teil der Serie bewertet Gastautor und Vermögensschadenexperte Stefan Schwope die Sozienklausel deshalb im Licht der aktuellen BGH-Rechtsprechung zur GbR. Dabei zeigt er auch, wie die Versicherer damit umgehen – und warum in der Pflichtversicherung (Anwalts-Haftpflicht) auf die Sozienklausel verzichtet werden sollte.

Rechtsprechung zur Sozietät (GbR ) und Sozienklausel

 
 
Unterschiedliche Deckungssummen: Auch für GbR Deckungslücke

Der BGH hat durch seine Urteile in den letzten Jahren das Haftungsprinzip der GbR entscheidend verändert. Neben der gesamtschuldnerischen Haftung aller Berufsträger ist als weiterer rechts- und parteifähiger Haftungsadressat die GbR hinzugetreten. Die Versicherer haben der veränderten Haftungssituation Rechnung getragen, indem sie die GbR als Rechtspersönlichkeit mitversichert haben. Eine eigene Deckungssumme bekommt sie jedoch nicht.

Die Sozietät ist (noch?) keine versicherungspflichtige Berufsträgergesellschaft, nicht Träger der Berufszulassung, sondern stützt sich in ihrer Tätigkeit auf die Berufszulassung ihrer Gesellschafter. Das bezieht sich auch auf die Deckung.

Wie sieht die Deckung nun aus, wenn nur gegen die GbR (Gesamthand) Haftpflichtansprüche wegen eines Verstoßes eines Gesellschafters geltend gemacht werden? Ohne die Sozienklausel wäre die Deckung der GbR an den Versicherungsschutz des verstoßenden Sozius geknüpft (siehe auch Praxisbeispiele im 2. Teil der Serie). Das macht insoweit Sinn, da die GbR als Rechtspersönlichkeit keine Verstöße begehen kann, sondern ihr die Fehler ihrer Gesellschafter zugerechnet werden. Der Versicherer des verstoßenden Berufsträgers muss gemäß den laut Vertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz gewähren.

Lässt sich der Fehler (Verstoß) einem Berufsträger nicht eindeutig zuordnen, so wird der Schaden auf die Versicherer der Kollegen gem. § 426 BGB aufgeteilt.

Bei den Versicherern, die mit der Sozienklausel arbeiten, leitet sich die Deckung für die GbR aus dem Versicherungsschutz für die einzelnen Sozien ab. Das heißt jedoch hier: „Der Versicherungsfall auch nur eines Sozius (§ 1 Abs. 2) gilt als Versicherungsfall aller Sozien.“ Bei unterschiedlich hohen Deckungssummen für die Sozien, weist der Versicherungsschutz auch für die GbR ggf. eine Deckungslücke auf. Ein Versicherer weist auch nochmal ausdrücklich auf § 12 und die sich ggf. ergebende anteilige Deckung hin, wenn nicht alle Sozien/Partner über diesen Vertrag Versicherungsschutz genießen.

 
Geringere Ver-sicherungsleistung durch Anwendung der Sozienklausel

Im letzten Jahr hat sich der BGH mit der Sozienklausel und deren Wirksamkeit beschäftigt. Jedoch ging es bei den Urteilen zu § 12 AVB immer nur um „ältere“ Bedingungsversionen. Diese enthielten noch einen Abs. 3, der besagte: „Ein Ausschlussgrund nach § 4, der in der Person eines Sozius liegt, geht zu Lasten aller Sozien.“ Im Rahmen der Modernisierung der Versicherungsbedingungen haben die Versicherer jedoch in den aktuellen Versionen diesen Absatz in § 12 AVB gestrichen und in § 1 AVB aufgenommen. In den BGH-Urteilen zur Sozienklausel ging es jedoch immer um den „alten“ § 12 AVB und um die Zurechnung eines Ausschlusses auf einen anderen Sozius.

Der „klassische“ Fall der Sozienklausel, dass es zu einer Unterdeckung kommt, weil die Sozien unterschiedlichen Versicherungsschutz vorhalten, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Auch ist es mehr als fraglich, ob es rechtens ist, dass ein Versicherungsnehmer, der Prämien für seinen Versicherungsschutz (Vertrag) bezahlt, sich mit einer geringeren Versicherungsleistung durch die Anwendung der Sozienklausel (Durchschnittsbildung) abfinden muss.

Versicherer und Sozienklausel

Bei den meisten etablierten Versicherern, die das Vermögensschaden-Haftpflichtgeschäft schon seit mehr als 25 Jahren betreiben, findet sich im § 12 AVB die Sozienklausel. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass es seinerzeit eine Pflichtversicherung für Steuerberater und Rechtsanwälte noch nicht gab und die Berufsträger noch vermehrt Einzelpolicen mit unterschiedlichen Deckungen vorhielten.

 
 
Sozienklausel auch bei nicht eindeutigen Verantwortlich-keiten nicht erforderlich

Auch unterscheidet sich die Geschäftspolitik der Versicherer beim Zeichnen und Dokumentieren der Versicherungen für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte. Die Pflichtversicherung für Wirtschaftsprüferrisiken bieten nicht alle Versicherer an. Auch sind Sozietätspolicen (ein Versicherungsschein für alle Berufsträger – WP, StB und RA) nicht bei jedem Versicherer erhältlich.

Der BGH führt hierzu aus: „Vielmehr setzt die Sozienklausel nach ihrem dem Versicherungs-nehmer erkennbaren Reglungszusammenhang den Abschluss eigenständiger Versicherungsverträge gerade voraus.“ Das bedeutet im Umkehrschluss, dass für Versicherer, die eine Sozietätspolice mit gleichen Bedingungen und Deckungssummen für alle Berufsangehörigen (WP, StB und RA) anbieten, eine Sozienklausel ohnehin schon keinen Sinn macht (notwendig ist).

Fazit: Verzicht auf Sozienklausel sinnvoll

Eine Sozienklausel ist auch bei nicht eindeutigen Verantwortlichkeiten für einen Fehler (Verstoß) vor dem Hintergrund der schon in § 426 BGB festgeschriebenen Innenausgleichsvorschrift nicht erforderlich, erst recht dann nicht, wenn der Versicherer alle Berufstätigkeiten versichert und eine Sozietätspolice anbietet.

Berufsträger, die in einer Sozietät zusammenarbeiten wollen, wird empfohlen, sich, wenn es um den richtigen Versicherungsschutz geht, von einem Betreuer/Makler mit entsprechendem Fach-Know-how beraten zu lassen.

Hinweis: Die exali.de Anwalts-Haftpflicht verzichtet im Schadenfall auf die Anwendung der Sozienklausel. Unsere Versicherungsnehmer erhalten, gemäß den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen, wenn nötig, die volle Versicherungssumme – ohne Kürzung.

Über den Autor

Stefan Schwope ist Dipl. Kaufmann, mit Schwerpunkt Versicherungswesen. Er kennt den deutschen Markt der Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherer seit mehr als 20 Jahren. Er war 18 Jahre bei GERLING tätig, zuletzt als stellvertretender Chief-Underwriter für das Vermögensschadenhaftpflicht-Geschäft und hat für andere Versicherer Produkte für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte entwickelt.
Aktuell ist Stefan Schwope als Senior Technical Underwriter – WP, StB, Rae beim Spezialversicherer Markel International Deutschland tätig.

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