Urheber- oder Wettbewerbsverletzung?! Die Astrid Lindgren-Erben geben alles im Kostüm-Krach!

„Hey, Pippi-Langstrumpf trallari trallahey tralla hoppsasa“: Vor allem jetzt in der Vorweihnachtszeit hüpft Pippi Langstrumpf mit ihren roten Flechtzöpfchen wieder trällernd über die Bildschirme. Das stärkste Mädchen der Welt ist ein wahrer Fernseh-Kult; viele junge Mädchen sehnen sich danach, nur für einen Moment in die Rolle der von Astrid Lindgren geschaffenen literarischen Figur zu schlüpfen. Fasching ist die Gelegenheit dafür: Rote Zopfperücke, kurzes Kleidchen und Ringelstrümpfe – und fertig ist das perfekte Kostüm. Dass Penny allerdings genau mit einem solchen wirbt, passt den Lindgren-Erben so gar nicht.

Jetzt ist nach jahrelangen Rechtsstreitereien endgültig eine Entscheidung gefallen – willkommen im kunterbunten, aber nicht ganz so lustigen „Pippi-Langstrumpf-Treiben“ auf der exali.de Info-Base.

Penny und das Pippi Langstrumpf-Kostüm

Sie lacht, tollt herum und macht sich ihre Welt, ganz so, wie sie ihr gefällt – welches junge Mädchen möchte nicht gern einmal so wie Pippi Langstrumpf sein? Selbst erwachsene Frauen tauchen an Fasching gerne in die Welt des schwedischen Wildfangs mit den roten Haaren ein. Fehlt meist nur noch das passende Kostüm... Also „erstmal zu Penny“! Die Supermarktkette vertrieb bereits in 2010 Faschingskostümsets für Kinder und Erwachsene unter dem Namen „Püppi“; rote Perücke mit abstehenden Zöpfchen, ein T-Shirt und Strümpfe in rotem und grünem Ringellook natürlich inklusive. Damit der Kostümverkauf auch in die Puschen kommt, warb Penny mit verschiedenen Fotos des Faschingsoutfits millionenfach in Prospekten, auf Plakaten und im Internet.

Pippi Langstrumpf hält die Gerichte auf Trab

Das ging den schwedischen Rechteinhabern an den Pippi-Langstrumpf-Werken, der Saltkraken AB, aber eindeutig zu weit: Sie hatten keinerlei Lizenzen für diese Fotos vergeben und erkannten deshalb die Verletzung ihrer Urheberrechte durch die Werbung der Supermarktkette Penny. Und sie behielten – zumindest in den Vorinstanzen – Recht! Sowohl das Landgericht (Urteil vom 10.08.2011, Az.: 28 O 117/11) als auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Urteil vom 24.02.2012, Az.: 6 U 176/11) bestätigten im Sinne der §§ 23, 97 UrhG eine unfreie Bearbeitung der Vorlage und befürworteten deshalb einen „Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 EUR“. Der in der Revision der Supermarktkette angerufene Bundesgerichtshof (BGH) wies die Forderung der Lindgren-Erben in seinem Berufungsurteil (17.07.2013, Az.: I ZR 52/12) allerdings scharf zurück: Urheberrechte wurden hier keine verletzt!

Der Grund: Mal ein etwas anderer Aspekt des Urheberrechts

Eine spannende Sache, denn hier geht es nicht um den sagen wir „normalen“ Aspekt des Urheberrechts, also nicht um die Geschichte per se, sondern um „die Schutzfähigkeit literarischer Figuren“, so Stephan Dirks in seinem Blogbeitrag. Jedem dürfte klar sein, dass Astrid Lindgrens Pippi-Texte urheberrechtlichen Schutz genießen. Auch die Pippi-Figur erscheint wegen ihrer markanten Charakterzüge und der besonderen äußeren Merkmale unverwechselbar. Allerdings entschieden die damaligen BGH-Richter, dass die in der Penny-Werbung dargestellten Models allenfalls Assoziationen wecken würden: „[L]ediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und den Kleidungsstil der Pippi Langstrumpf übernehmen“ die Abbildungen, die typischen äußeren und persönlichen Pippi-Merkmale aber fehlen – ein Plagiat und eine Urheberrechtsverletzung sind somit ausgeschlossen.

Eine echte Pippi Langstrumpf, ...

Dann eben über den wettbewerbsrechtlichen Umweg: Saltkrakan machte nämlich auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend, über die im ersten Step das OLG Köln entscheiden musste – die Klage wurde abgewiesen (Urteil vom 20.06.2014, Az.: 6 U 176/11). Die Richter nahmen an, dass sich „weder unter dem Gesichtspunkt eines lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes, § 4 Nr. 9 UWG, noch unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen vergleichenden Werbung, § 6 Abs. 2 Nr. 6 UW" Anspruch ergibt. Zwar liege eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren vor, ihre besondere Originalität aber fehle:

„Jedem Betrachter ist klar, dass die jeweils abgebildete Person nicht Pippi-Langstrumpf ist, sondern im Karneval deren Rolle spielt und sich daher entsprechend verkleidet hat. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs, dass mit den Abbildungen nur ein unvollkommener Bezug zur literarischen Figur hergestellt wird, der zudem mit der erkennbaren Spannung zwischen realer Person und dargestellter Person spielt. (...) Trotz des hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades der Romanfigur "Pippi Langstrumpf", deren besonderer Originalität sowie der hieraus folgenden Werbewirksamkeit geht der Duchschnittsverbraucher nicht davon aus, dass dann, wenn mit als "Pippi Langstrumpf" verkleideten Personen Karnevalskostüme beworben werden, die Werbeabbildungen als solche von den Inhabern der Rechte an der Romanfigur lizenziert sind.“

... die ist nicht so einfach nachzuahmen!

Es gehört einfach mehr dazu, eine echte Pippi mit roten Haaren, Sommersprossen und übergroßen Schuhen zu sein. Deshalb hat auch der von den Lindgren-Erben angerufene BGH nun einen Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG ausgeschlossen und die Revision zurückgewiesen. In der Pressemitteilung heißt es:


„Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG** zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.

(...)
* * § 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.“

Aufatmen mit den exali.de Berufshaftpflichtversicherungen

Also keine Angst für die nahende Narrenzeit: Auch in Zukunft wird es möglich sein, sich als Pippi zu verkleiden und für ein paar Stunden in die Rolle der schwedischen Göre zu schlüpfen. Und sogar Fotos dürfen in voller Verkleidungsmontur gemacht werden, das Urheberrecht verbietet das zumindest nicht... Aber diese Rechtsstreitereien zeigen mal wieder, wie brenzlig eine simple Produktwerbung werden kann, wenn nicht alle Unklarheiten gerade in puncto Urheber- und Wettbewerbsrecht im Vorfeld beseitigt wurden.
Deshalb ist es immer ratsam, auf Nummer sicher zu gehen und sich im eigenen Business mit der passenden Berufshaftpflichtversicherung über exali.de zu schützen: Sie versichert unbeabsichtigte Verletzungen von Schutzrechten (z.B. Urheber-, Marken-, Domain-, Lizenz-, Persönlichkeitsrechte) sowie Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und unlautere Werbung ohne Auflage und kommt im Schadenfall für die Schadenersatzforderungen Dritter auf.

Weiterführende Informationen:

© Nicole Seibert – exali AG