Markenstreit: „Hirschkuss“ gegen „Hirschrudel“ oder „Wer hat das geheime Familienrezept gefunden?“

Im kalten Nachkriegsdeutschland sammelt Lena aus Leidenschaft Kräuter, experimentiert damit, setzt einen Likör an und schreibt das leckere Rezept in ihr Kräuterbuch. Viele Jahrzehnte gehen ins Land bis Lenas Großnichte das Kräuterbuch zufällig wiederfindet und das Kräuterlikör-Rezept ausprobiert. Sie landet damit einen vollen Erfolg und verkauft tausende Flaschen des Familiengeheimnisses. Was klingt wie eine märchenhafte Familiengeschichte ist das Zentrum eines Markenstreits, zwischen zwei Likörherstellern.

Die Geschichte ums Familienrezept und wie es zum Markenstreit kommt steht heute auf der Infobase im Mittelpunkt.

Oma oder Großtante, wer war’s?

Das Rezept von Lena hat es durch ihre Großnichte Petra Waldherr-Merk auf den deutschen Likör-Markt geschafft. Eigentlich sollte es nur ein Geschenk an Freunde und gute Kunden sein, als Waldherr-Merk 2004 den Kräuterlikör nach altem Familienrezept ansetzt. Das Geschenk kommt so gut an, dass die Produktion immer professioneller wird und inzwischen unter dem Namen „Hirschkuss“ zu tausenden in den Regalen steht – inklusive zweier Hirsche auf dem Etikett. Eine Erfolgsgeschichte, die zu Herzen geht. Doch wie in jeder guten Geschichte, gibt es auch hier einen Gegenspieler.

Zufall oder Kopie?

„Hirschkuss“ hat im Likör-Regal seit 2014 einen neuen Konkurrenten bekommen, der stutzig macht. Er trägt den Namen „Hirschrudel“ und ist ebenfalls ein Kräuterlikör. Doch beim Namen und der Zusammensetzung endet die Ähnlichkeit nicht. Denn auch hinter „Hirschrudel“ steckt eine herzerwärmende Familiengeschichte.

Bei „Hirschrudel“ heißt die fleißige Kräutersammlerin nicht „Großtante Lena“ sondern „Oma Elly“ und sie streifte nicht durchs bayerische Voralpenland sondern durch die Berliner Wälder. Laut Firmenhomepage von „Hirschrudel“ trocknete die damals noch junge Elly ihre Kräuter, zum Andenken an ihre magischen Waldspaziergänge, in einem Poesiealbum.

Zu einem Familienjubiläum dachte sie wieder an die besonderen Kräuter ihres Poesiealbums und setzt zur Feier einen Kräuterlikör an. Auch in dieser Geschichte verschwindet das alte Familienrezept in der Vergessenheit und wird Jahrzehnte später wiederentdeckt. Bei „Hirschrudel“ entdeckt der Enkel von Elly das alte Poesiealbum mit Rezept, sein Name ist Dirk Verpoorten, er stammt aus bekannten Eierlikör-Familie. Die Familiengeschichte erzählt, dass Verpoorten dem Rezept seiner Oma „Leben schenken“ wollte und den Likör „Hirschrudel“ deshalb auf den Markt brachte – natürlich mit Hirschen auf dem Etikett.

Streit unter Likör-Produzenten

Zwei tolle (zugegebenermaßen verdächtig ähnliche) Familiengeschichten und zwei erfolgreiche Kräuterliköre, wo liegt nun das Problem?

Die bayerische Likörproduzentin Petra Waldherr-Merk glaubt nicht an einen komischen Zufall und wirft Verpoorten vor, nicht nur den Likör zu kopieren, sondern sogar die ganze Familiengeschichte dreist abgekupfert zu haben.

Kurzerhand geht ein Brief an die produzierende Firma von „Hirschrudel“, darin weist Waldherr-Merks Anwalt auf die Verletzung der gewerblichen Schutzrechte hin und fordert Verpoorten auf die Marke zu löschen. Die Reaktion überrascht wenig: Man sehe keine Ähnlichkeit zwischen „Hirschrudel“ und „Hirschkuss“ und werde die Marke nicht löschen.

Nun geht der Streit in die nächste Runde, Waldherr-Merks will sich mit ihrem kleinen Unternehmen nicht vom Großproduzenten verdrängen lassen und bläst zum Angriff. Sie hat angekündigt beim Patentamt in München einen Löschungsantrag für „Hirschrudel“ zu stellen. Für die Geschäftsführerin der „Hirschkuss-Genussmanufaktur“ ist dies nicht der erste Kampf um ihre Marke. Der Spirituosenriese Jägermeister hatte 2005 versucht die Eintragung der Marke „Hirschkuss“ inklusive Hirsche auf dem Etikett zu stoppen. Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das Patentamt München die Marke ohne Einschränkungen eingetragen.

Markenstreits nicht unterschätzen!

Ein Prozess um Markenrecht kann für Selbständige schnell zum existenzbedrohenden Alptraum werden. Beim Streit mit Jägermeister hat damals ein Patentanwalt angeboten „Hirschkuss“ honorarfrei zu vertreten, doch solche Geschenke sind selten.

Wer mit seiner eigenen Marke (zum Beispiel dem Namen der Agentur, eines Produktes oder des Webshops) bestehende Markenrechte verletzt, muss mit einem teuren Rechtsstreit und hohen Kosten rechnen, wie der Fall der Bio Limo Bionade zeigt, über den wir im Artikel „Bionade vs. Beeronade – Markenrechtsverletzungen und Schutz vor den Folgen“ berichtet haben. Sollte die eigene Marke dennoch Rechte eines Dritten verletzen, können Selbständige mit einer guten Berufshaftpflicht aufatmen. Die Berufshaftpflichtversicherungen über exali.de schützen nicht nur bei Schadenersatzansprüchen Dritter sondern übernehmen auch die juristische Prüfung und Abwehr gegebenenfalls unberechtigter Ansprüche.

Weiterführende Informationen:

© Sarah-Yasmin Fließ – exali AG