Neues Gesetz gegen Abmahnmissbrauch: Das Ende der Abmahnindustrie?
Nach jahrelangem Kampf unterschiedlicher Verbände, diversen Abmahnwellen und Kopfschütteln über die Geschäfte von Abmahnanwälten ist es nun endlich soweit: Das Bundesministerium der Justiz hat einen Gesetzentwurf zur Eindämmung von Abmahnmissbrauch vorgelegt. Damit soll der Abmahnindustrie der Kampf angesagt werden. Doch geht der Gesetzesentwurf weit genug und ist das jetzt das Ende des Abmahnmissbrauchs?
Update 02.12.2020: Gesetz gegen Abmahnmissbrauch ist in Kraft getreten
Das Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch ist am 02.12.2020 in Kraft getreten. Ob es die gewünschte Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten. Vor allem Vertreter des Onlinehandels kritisieren, dass sich für Abmahnverbände und -vereine wenig ändert, außer dass sie sich in eine offizielle Liste eintragen müssen. Was es mit dem Gesetz auf sich hat, können Sie im weiteren Artikel nachlesen.
Update 14.09.2020: Bundestag beschließt Gesetz gegen Abmahnmissbrauch
Endlich ist es soweit: Am vergangenen Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch (Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs) verabschiedet. Das bedeutet kurz zusammengefasst: dem Geschäft mit massenhaften Abmahnungen wird weitestgehend die Grundlage entzogen.
Abmahnkosten: Abgemahnte müssen bei Kleinigkeiten nicht mehr zahlen
Wenn ein Konkurrent (bzw. dessen Anwalt) zukünftig Verstöße gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten abmahnt, zum Beispiel einen Verstoß im Impressum, darf er die Kosten dafür nicht mehr dem Abgemahnten in Rechnung stellen. Das gilt auch für DSGVO-Verstöße von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. Damit lohnt es sich für Abmahnanwälte nicht mehr, Kleinigkeiten abzumahnen und damit Geld zu verdienen. Außerdem wird bei Bagatell-Verstößen die Vertragsstrafe auf 1.000 Euro begrenzt. So soll verhindert werden, dass Kleinunternehmen wegen geringer Verstöße in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Verbände müssen in Liste eingetragen sein
Verbände dürfen nur noch abmahnen, wenn sie in einer Liste der Klagebefugten beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Kritisiert wird, dass sich für abmahnwütige Verbände erst einmal kaum etwas ändert. „Es wird viel davon abhängen, ob es dem Bundesamt für Justiz gelingt, unseriösen Abmahnvereinen die Aufnahme in die Liste abmahnbefugter Verbände zu versagen und wirksame Kontrollmechanismen zu etablieren“, sagt Kleinunternehmerin Dr. Vera Dietrich, die vor zwei Jahren mit einer Bundestagspetition das Gesetzgebungsverfahren angestoßen hat.
Voraussichtlich Anfang Oktober wird das Gesetz den Bundesrat passieren und anschließend in Kraft treten.
Update Mai 2019: Bundesregierung beschließt Gesetzesentwurf
Die Bundesregierung hat nun das Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch auf den Weg gebracht. Das Kabinett hat bereits für den Entwurf gestimmt, nun ist der Bundestag an der Reihe. Ziel des Gesetzes ist es, gegen Abmahnanwälte und –verbände vorzugehen, die Abmahnungen als Geschäft sehen, und die Rechte der Abgemahnten zu stärken. So sollen circa 50 Prozent der Abmahnungen verhindert werden können. Welche Maßnahmen genau im Gesetzesentwurf enthalten sind, können Sie in unserem ursprünglichen Artikel (siehe unten) nachlesen.
Neue Passage: Eindämmung von DSGVO-Abmahnungen
Neu hinzugekommen ist eine Änderung in § 13 UWG, die Abmahnungen wegen DSGVO-Verstößen betrifft. Demnach dürften bei Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen gegen kleine Unternehmen keine Aufwendungen, also Abmahnkosten, mehr geltend gemacht werden. Solche Abmahnungen würden sich also für Abmahnanwälte & Co nicht mehr „lohnen.“ Als Kleinstunternehmen gelten laut einer Definition der EU-Kommission Firmen, die weniger als zehn Mitarbeiter haben und einen Jahresumsatz von zwei Millionen Euro nicht überschreiten.
Den Stand zum Gesetzgebungsverfahren sehen Sie auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Wir halten Sie natürlich ebenfalls auf dem Laufenden.
Gesetz soll Abmahnmissbrauch eindämmen
Sinn des Gesetzes soll sein, missbräuchliche Abmahnungen zu verhindern und gegen Abmahnanwälte und ihre Mandanten vorzugehen, die Abmahnungen als Geschäft entdeckt haben. Abmahnungen wegen kleinster Fehler in den AGB oder im Impressum sollen bald der Vergangenheit angehören. „Abmahnungen sollen im Interesse eines rechtstreuen Wettbewerbs erfolgen und nicht zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen“, heißt es in dem Gesetzentwurf („Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“).
Die Neuerungen im Gesetzentwurf
Mit welchen Maßnahmen will der Gesetzgeber nun die Abmahnindustrie in ihre Schranken weisen?
Höhere Anforderung an Klagebefugnis
Wettbewerber sollen durch das neue Gesetz nur noch klagebefugt sein, wenn sie „in nicht unerheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen.“ Bislang gab es kaum eine Hürde dafür, wer als Wettbewerber gilt. Es konnten auch solche „Mitbewerber“ abmahnen, die nur wenige Waren gleicher Art anboten und sogar solche, die erst kurze Zeit vor der Abmahnung ihr Gewerbe angemeldet oder sogar schon ein Insolvenzverfahren eröffnet hatten.
Auch an Verbände, die abmahnbefugt sind, soll es mit dem neuen Gesetz höhere Anforderungen geben. Nur besonders qualifizierte Verbände, die in eine Liste eingetragen sind, sollen noch abmahnen dürfen. Bislang waren die Regelungen für Wettbewerbsverbände sehr schwammig verfasst. Nun dürften sie nur noch abmahnen, wenn
- sie mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder haben, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, oder mindestens fünf Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind
- sie zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen sind,
- aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass sie ihre satzungsmäßige Aufgabe auch künftig wirksam und sachgerecht erfüllen und ihre Ansprüche nicht vorwiegend deshalb geltend machen, um Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen
- sie ihren Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewähren und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht unangemessen hoch vergütet werden
Verschärfte Anforderungen an Inhalt des Abmahnschreibens
Auch der Inhalt eines Abmahnschreibens wird durch das Gesetz klar vorgegeben. Wenn der Abmahnende diese Vorgaben nicht einhält, hat er keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und der Abgemahnte kann Gegenansprüche geltend machen. Pflichtangaben in einer Abmahnung sind:
- Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters
- Voraussetzung der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG
- Angabe, in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet
- Beschreibung der Rechtsverletzung, die zur Abmahnung führt
Deckelung der Vertragsstrafe
Bislang waren die Vertragsstrafen auch für Bagatellfälle oft sehr hoch. Damit war das Geschäft mit Abmahnungen durch einen hohen Streitwert für Abmahnanwälte sehr lukrativ. Auch dem will das neue Gesetz einen Riegel vorschieben. Die Vertragsstrafe für Bagatellfälle wird gesetzlich auf 1.000 Euro gedeckelt. Damit wird der finanzielle Anreiz für Abmahnanwälte stark begrenzt.
Deckelung der Abmahnkosten
Der Ersatz von Abmahnkosten soll zukünftig ausgeschlossen werden, wenn der Abmahngrund die Interessen der Verbraucher, sonstiger Marktteilnehmer oder Mitbewerber nur unerheblich beeinträchtigt und der Abgemahnte gegenüber dem Abmahnenden nicht schon auf andere Art (zum Beispiel durch einen Vertrag oder eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung oder einstweilige Verfügung) zur Unterlassung verpflichtet ist.
Für solche unerheblichen Verstöße werden im Gesetz folgende Beispiele genannt: Abkürzung des Vornamens im Impressum, Angabe „2 Wochen“ statt „14 Tage“ in der Widerrufsbelehrung, fehlender Link zur Europäischen Plattform zur Online-Streitbeilegung.
Kostenerstattung für „Abmahnopfer“
Wer missbräuchlich abgemahnt wird, hat zukünftig Anspruch auf Ersatz der eigenen Anwaltskosten. Das soll verhindern, dass Abmahnungen in hoher Stückzahl „auf gut Glück“ verschickt werden, weil dem Abmahnenden ohnehin nichts passieren kann. Die Regelung soll nicht nur für missbräuchliche, sondern allgemein für unberechtigte Abmahnungen gelten, außer der Abmahnende konnte zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennen, dass diese unberechtigt war. Die Beweispflicht dafür liegt aber beim Abmahnenden.
Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“
Bisher konnte sich der Abmahnende irgendein Gericht für seine Klage aussuchen, von dem er dachte, dass er mit seiner Klage mit höherer Wahrscheinlichkeit durchkommt. Oder ein Gericht möglichst weit weg vom Wohn- und Geschäftssitz des Beklagten wählen, weil er hoffte, dass dieser wegen der großen Entfernung keinen Widerspruch gegen die Abmahnung einlegen wird. Mit diesem sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ soll jetzt Schluss sein. Für Abmahnungen soll zukünftig nur noch das Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Mehr Kontrolle und Meldepflichten
Unseriöse Abmahner sollen verstärkt kontrolliert und gemeldet werden. Für die Liste der zugelassenen Abmahnvereine, Wettbewerbsverbände & Co. soll es eine strenge Eingangskontrolle geben. Außerdem sollen die Verbände, die auf der Liste stehen, alle zwei bis fünf Jahre kontrolliert werden und über ihre Tätigkeit umfassend berichten müssen. Wer bereits mit einer missbräuchlichen Abmahnung aufgeflogen ist, soll von den Gerichten an das Bundesamt für Justiz gemeldet werden. Wenn ein Verein diesbezüglich auffällig ist, soll ihm die Abmahnbefugnis konsequent entzogen werden.
Bei Abmahnungen bestens abgesichert
Verbände zeigen sich zufrieden mit dem Entwurf und rechnen – falls das Gesetz so verabschiedet wird – mit deutlich weniger Abmahnungen. Vor allem der Vorstoß, die finanziellen Anreize für Abmahnungen zu reduzieren, stößt auf Zustimmung. Bleibt abzuwarten, ob das Gesetz die Zustimmung der verschiedenen Ressorts und des Bundestags findet.
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