Online-Pureplayer vs. klassischer Versandhändler: Zur Zukunft von Onlineshops – Interview

Online-Shops schießen nicht nur in Deutschland aus dem Boden, die Konkurrenz wächst und wächst. Experten prognostizieren deshalb realistisch: Bis zu 80 Prozent von ihnen überleben den Kampf um Kunden nicht. Einfach nur verkaufen reicht in unserer Überflussgesellschaft eben nicht mehr aus. Der Einkauf muss zum Erlebnis gemacht werden und einen bleibenden Eindruck beim Kunden hinterlassen. Um das Interesse bei den Käufern zu erwecken, muss auch der eCommerce in Zukunft ergänzend auf Printformate setzen, weiß Stephan Meixner von neuhandeln.de.

Was unterscheidet den eCommerce vom klassischen Versandhandel?
Welche Risiken (und Probleme) bringt die Verlagerung sämtlicher Ein- und Verkaufsprozesse ins Internet mit sich?
Wenn man alles im Netz kaufen kann – und das meistens sogar noch günstiger – welche Rolle bleibt den stationären Filialen eines Unternehmens, das zudem auf eCommerce setzt?
Welche Herausforderungen dürfen Webshop-Betreiber auf keinen Fall verpassen und wohin geht die Reise im Online- und Versandhandel?

Warum das so ist und warum die Preistransparenz des Internets zu Untreue der Kunden gegenüber ihren Anbietern führt, darüber haben wir von exali.de mit dem freien Journalist und eCommerce-Experten gesprochen.

Sie haben Medienmanagement studiert und als Journalist gearbeitet – wie sind Sie im eCommerce-Business gelandet?

Zufällig. Bereits bei meinem Studium habe ich als freier Journalist für die Lokalzeitung gearbeitet und mich nach meinem Studienabschluss dafür entschieden, ein Volontariat zu machen. Dabei bin ich vor über zehn Jahren beim Hightext Verlag in München gelandet, der sich mit seinem Online-Portal iBusiness.de an Geschäftskunden wendet und über Trends im E-Commerce und Online-Marketing berichtet.

Frühzeitig habe ich damals meine Leidenschaft für den Handel entdeckt und mich auf E-Commerce spezialisiert. Nach vier Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht und berichte seitdem als freier Journalist für verschiedene Zeitschriften über E-Commerce.

In diesem Frühjahr ist zudem mein Portal neuhandeln.de gestartet, auf dem ich selbst über Trends und Strategien im E-Commerce berichte.

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Was unterscheidet den eCommerce vom klassischen Versandhandel?

E-Commerce und Versandhandel sind eigentlich ja Synonyme für den Handel auf Distanz. Denn sowohl klassische Katalogversender als auch Online-Pureplayer verschicken Pakete an Kunden, die sie in der Regel nicht persönlich kennen. Dennoch trennen junge Online-Händler und alteingesessene Katalogversender oft Welten.

Ein Grund ist, dass durch den Online-Boom neue Player auf der Bildfläche erschienen sind, die etablierten Versendern das Geschäft streitig machen. Historisch bedingt haben sich zudem viele Katalogversender in ländlichen Gebieten angesiedelt (nah beim Kunden musste man ja nicht sein), während junge Online-Händler oft in Großstädten wie Berlin gegründet werden. Einige der „jungen Wilden“ leben zudem von Fremdkapital, während klassische Versandhändler ihr Geschäft oft aus eigener Kraft stemmen.

Auch was den Verkauf an sich angeht, gibt es einen Unterschied: Denn viele Online-Händler investieren bevorzugt in Marketing-Maßnahmen wie bezahlte Suchanzeigen (Google AdWords) oder Suchmaschinenoptimierung, damit sie bei Suchanfragen von Interessenten gut gefunden werden. Das setzt aber voraus, dass Verbraucher bereits ein konkretes Kaufinteresse haben.

Der klassische Versandhändler verschickt dagegen Print-Kataloge, die Kunden oft erst zu Käufen inspirieren. Der Katalogversand ist so gesehen ein Bedarfswecker, der E-Commerce ein Bedarfsdecker. Wobei die Grenzen natürlich fließend sind, da heutzutage auch klassische Katalogversender ihre Online-Shops für Suchmaschinen optimieren und Online-Pureplayer zunehmend eigene Printformate als Verkaufskanal testen.

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Welche Risiken (und Probleme) bringt die Verlagerung sämtlicher Ein- und Verkaufsprozesse ins Internet mit sich?

Was Anbietern zunehmend zu schaffen macht, ist die Preistransparenz im Internet. Kunden suchen immer häufiger über Preissuchmaschinen nach dem günstigsten Online-Anbieter eines Artikels, denn sie kaufen möchten. Viele Kunden sind zudem untreu und kaufen das nächste Mal bei einem anderen Anbieter, der dann die gewünschte Ware am billigsten anbietet.

 
 
Online-Händler brauchen Strategien, um sich der Vergleichbarkeit zu entziehen

Auf lange Sicht werden es sich aber nur wenige Händler leisten können, Kunden über günstige Preise zu ködern. Online-Händler brauchen daher Strategien, um sich der Vergleichbarkeit zu entziehen. Das kann man über Eigenmarken oder exklusive Produkte erreichen, die es in dieser Form bei keinem anderen Händler gibt.

Eine andere Möglichkeit ist, Kunden über Services an sich zu binden – beispielsweise mit einer Versandkosten-Flatrate, bei der Kunden einmal jährlich eine Pauschale bezahlen und alle Bestellungen gratis geliefert bekommen. Das kann dazu führen, dass Verbraucher ein Produkt zunächst direkt im Shop eines bestimmten Anbieters suchen und die Kaufvorbereitung eben nicht wieder in einer Suchmaschine starten.

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Wenn man alles im Netz kaufen kann – und das meistens sogar noch günstiger – welche Rolle bleibt den stationären Filialen eines Unternehmens, das zudem auf eCommerce setzt?

Kunden sind es heute gewohnt, dass sie in Online-Shops ein großes Sortiment mit mehreren tausend Produkten bekommen. Im direkten Vergleich können Multichannel-Händler an sich nur verlieren, wenn sie in ihren Filialen ebenfalls mit dem bloßen Sortiment punkten wollen. Denn vor Ort haben Händler in der Regel ja nur begrenzten Platz und können daher nur ein ausgewähltes Sortiment in ihren Filialen präsentieren.

Cyberport bietet beispielsweise in seinem Online-Shop über 40.000 Artikel an, während es in den Filialen nur zwischen 1.000 und 3.000 Artikeln gibt. Andere Multichannel-Händler verfahren ähnlich, was wiederum in der Praxis zu kuriosen Multichannel-Services führt. So bieten zwar viele Händler an, dass Kunden ihre Online-Bestellungen auf Wunsch in Filialen abholen können. Wenn das Produkt vor Ort aber nicht verfügbar ist, muss der Artikel erst von einem Zentrallager in das Geschäft geliefert werden. In diesem Fall können Kunden einen Artikel meist erst nach ein bis zwei Werktagen vor Ort abholen.

Doch wirklich interessant wären Abholservices ja, wenn Kunden die Ware sofort nach der Reservierung mitnehmen könnten. Wer zwei Tage warten muss, kann sich die Bestellung auch nach Hause liefern lassen. Händler müssen in Filialen daher mehr tun, als nur Ware zu verkaufen. Der stationäre Handel muss solche Erfahrungen bieten, die Kunden online nicht erleben können.

Ein gutes Beispiel sind die Outlet-Stores von Zalando. Hier kommen Kunden günstig an Restposten oder Saisonware, die sie online nicht erhalten. Weil das Sortiment zudem häufig wechselt und vor Ort oft nur Einzelstücke erhältlich sind, wird der Einkauf zu einem Erlebnis für Kunden, die ein Schnäppchen machen wollen. Und Zalando kann seine B-Ware losschlagen, ohne dass die Marken online verramscht werden.

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Welche Herausforderungen dürfen Webshop-Betreiber auf keinen Fall verpassen und wohin geht die Reise im Online- und Versandhandel?

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland fast eine halbe Million an Unternehmen und Selbstständigen, die Waren über das Internet verkaufen. Experten prognostizieren, dass bis zu 80 Prozent dieser Anbieter auf lange Sicht nicht überleben werden.

 
 
Onlinehändler müssen die Kunden mit einem exklusiven Sortiment ködern

Auch ich rechne damit, dass es im deutschen E-Commerce-Markt zu einer Konsolidierung kommen wird. Denn zur Zeit gibt es nach wie vor noch sehr viele Händler, die schlichtweg austauschbar sind, weil sie dieselben Waren wie die Konkurrenz verkaufen. Theoretisch würde im Internet ja ein Online-Shop reichen, der Schuhe von Marken wie Puma oder Adidas führt und Kunden bundesweit beliefert. Und selbst dieser Anbieter könnte Schwierigkeiten bekommen, wenn seine Marken in den Direktvertrieb einsteigen und eigene Online-Shops eröffnen.

Deshalb müssen Händler selbst zu Herstellern werden, die Kunden mit einem exklusiven Sortiment an Eigenmarken ködern können. Im klassischen Versandhandel ist so etwas längst üblich. Ein Unternehmen wie der Hemden-Spezialist Walbusch – der seine Wurzeln im Kataloggeschäft hat – verkauft größtenteils Eigenmarken. Diesem Beispiel müssen auch Online-Pureplayer künftig folgen.

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Über den Interviewgast:

Stephan Meixner (34) betreibt das Online-Portal neuhandeln.de und ist als Fachjournalist spezialisiert auf die Themen E-Commerce, Versandhandel und Multichannel-Handel. Er analysiert seit zehn Jahren aktuelle Trends aus dem interaktiven Handel und liefert damit zukunftsweisende Strategien für Online- und Versandhändler. Stephan Meixner ist regelmäßig auf Messen und Kongressen als Referent vertreten und liefert in Vorträgen mit starkem Praxisbezug wertvolle Beratung bei Fragen rund um E-Commerce, Online-Marketing und Versandhandel. Seine Karriere als Journalist startete er 2004 als Redakteur beim Hightext Verlag in München. Zuvor studierte Stephan Meixner Medienmanagement an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Aktuell lebt und arbeitet Stephan Meixner in München.