Diskriminierung im Bewerbungsverfahren: Diese Formulierungen vermeiden
„Bitte keine Araber“: Architekturbüro antwortet rassistisch auf Bewerbung
Ein Mann mit einem arabisch klingenden Nachnamen bewirbt sich bei einem Berliner Architekturbüro für ein Praktikum. Die Antwort, die er auf seine Bewerbung erhält, umfasst nur drei Wörter. Die haben es aber in sich. „Bitte keine Araber“ steht in der Mail, die die Chefin des Architekturbüros versehentlich an ihn verschickte.
Der Bewerber, ein junger Mann aus Ägypten, der momentan seinen Master in Architektur macht, postete die Mail auf Facebook mit den Worten: „Das schlimmste Ablehnungsschreiben, das man erhalten kann.“ In den Sozialen Medien verbreitete sich der Screenshot der Mail wie ein Lauffeuer, der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten und die Google-Bewertungen des renommierten Architekturbüros waren innerhalb kürzester Zeit im Keller.
Das Architekturbüro versuchte den Fall als Missverständnis darzustellen. Die Bewerbung sei versehentlich einer Stellenausschreibung für den Standort China zugeordnet worden und dafür habe der Bewerber nicht die geforderten Qualifikationen gehabt. Mit verkürztem Kommentar sei die Bewerbung dann vermeintlich an das Sekretariat zurückgeschickt worden. Ob das nun stimmt oder nicht, der gute Ruf des Architekturbüros ist erst einmal dahin. Und der Fall hat vielleicht noch ein Nachspiel vor Gericht. Denn viele User, die die Mail auf Twitter und Facebook teilten, rieten dem Bewerber, sich juristisch beraten und gegebenenfalls den Fall vor Gericht überprüfen zu lassen.
Diskriminierung gemäß AGG
Dort hätte er höchstwahrscheinlich Erfolg. Denn der Kommentar in der Mail ist ganz klar eine Diskriminierung und verstößt damit gegen das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Dieses verbietet die Diskriminierung aus folgenden Gründen:
- Rasse oder ethnischer Herkunft
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- Sexuelle Identität
Bei einem Blick auf diese Liste ist klar: Natürlich dürfen Unternehmen niemanden aus diesen Gründen benachteiligen. Und die, die das im Bewerbungsverfahren oder im beruflichen Alltag trotzdem machen, landen zu Recht vor Gericht.
AGG Verstoß in Stellenanzeigen: Diese Formulierungen sollten Sie vermeiden
In der Praxis liegen die Fälle jedoch nicht immer so klar. Denn Formulierungen, hinter denen keine böse Absicht steckt und die in Stellenausschreibungen gängig sind, können trotzdem gegen das AGG verstoßen. Wer diese verwendet, kann schnell vor Gericht landen.
Diese Formulierungen sollten Sie in Stellenausschreibungen vermeiden:
- Deutsch als Muttersprache: Sie dürfen in Stellenausschreibungen nicht nach Bewerbern mit einer bestimmten Muttersprache suchen. Auch andere Formulierungen, die als Einschränkung der Herkunft verstanden werden können, sollten Sie vermeiden. Zum Beispiel: „akzentfreie Aussprache“, „unter Angabe Ihres Geburtsortes“ oder „fließende Deutschkenntnisse.“ Formulierungen wie „ausgezeichnete Deutschkenntnisse“ sind erlaubt, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle nachvollziehbar wichtig sind.
- Berufserfahrung: Formulierungen, die die Berufserfahrung betreffen, können als Diskriminierung wegen des Alters eines Bewerbers ausgelegt werden. Daher sollten Sie Formulierungen wie „junges dynamisches Team“, „mindestens xx Jahre Berufserfahrung“, „langjährige Berufserfahrung“, „für unser junges Team suchen wir“ vermeiden. Eine „der Position angemessenen Berufserfahrung“ dürfen Sie aber verlangen.
- Körperliche Merkmale: Auch Floskeln, die als Ausschluss von körperlichen oder geistigen Handicaps gelten könnten, sollten Sie vermeiden. Verwenden Sie keine Formulierungen wie „Sie sind körperlich belastbar…“, „mobil“ oder „geistig flexibel.“ Beschreiben Sie ausschließlich die Fertigkeiten, die für die ausgeschriebene Tätigkeit notwendig sind und verwenden Sie keine allgemeinen Attribute bezüglich der körperlichen oder geistigen Verfassung des Bewerbers.
- Merkmale hinsichtlich des Geschlechts: Dass Stellenausschreibungen geschlechtsneutral formuliert sein müssen, ist mittlerweile klar. Seit dem 1. Januar 2019 müssen Jobanzeigen neben dem bekannten m/w auch die Ergänzung „d“ (für divers) enthalten. Neben dem Jobtitel müssen Sie daher eine Abkürzung wie m/w/d, m/w/a (anders), m/w/x (beliebig) oder m/w/i (intersexuell) stellen. Sie müssen die komplette Stellenbeschreibung genderneutral formulieren. Verwenden Sie keine Floskeln wie „dann sind Sie der Richtige für uns“ oder „dann sind Sie der ideale Kandidat.“
AGG Verstoß vor Gericht: Teuer für Unternehmen
Wenn Sie wegen eines AGG Verstoßes im Bewerbungsverfahren vor dem Arbeitsgericht verklagt werden, müssen Sie beweisen, dass Sie niemanden benachteiligt haben und den Bewerber ausschließlich wegen anderer, zulässiger und sachlicher Kriterien abgelehnt haben. Und dieser Beweis ist kaum zu erbringen. Sie müssen nämlich vor Gericht Ihr komplettes Auswahlverfahren transparent machen und es muss sich daraus zweifelsfrei ergeben, dass Sie auch alle anderen Bewerber, die die anderen zulässigen Kriterien nicht erfüllt haben, von Anfang an aussortiert haben.
Wenn Sie wegen eines AGG-Verstoßes verurteilt werden, kann Sie das bis zu drei Bruttomonatsgehälter der ausgeschriebenen Stellen kosten, die Sie als Schadenersatz an den Betroffenen zahlen müssen. Dazu kommen noch die Anwalts- und Gerichtskosten.
AGG Verstoß vermeiden: Das müssen Sie beachten
Deswegen sollten Sie von Vornherein jede Formulierung vermeiden, die Ihnen in irgendeiner Weise als Diskriminierung ausgelegt werden könnte. Die wichtigsten Regeln sind:
- Formulieren Sie immer geschlechtsneutral und schreiben Sie nach dem Jobtitel immer den Zusatz (m/w/d)
- Verwenden Sie keine Formulierungen, die in irgendeiner Weise auf das Alter des Bewerbers abzielen, zum Beispiel „Junior“, „Berufsanfänger“, „Hochschulabsolvent“, „frisch aus der Ausbildung.“ Fordern Sie keine bestimmte Jahreszahl an Berufserfahrung sondern eine „der Position angemessene Berufserfahrung.“
- Beziehen Sie sich bei körperlichen und geistigen Anforderungen und Fähigkeiten ausschließlich auf die Tätigkeit und beschreiben Sie diese konkret. Generell sollte die Tätigkeit immer im Vordergrund stehen.
- Legen Sie objektive Auswahlkriterien fest und dokumentieren Sie den kompletten Bewerbungsprozess lückenlos.
Absagen nicht lange begründen
Da Ihnen auch die Formulierung Ihrer Absage als AGG-Verstoß ausgelegt werden kann, sollten Sie sich in einer Absage so bedeckt wie möglich halten. Sie müssen eine Absage nicht begründen und sollten dies in der schriftlichen Absage auch nicht tun. Ruft ein Bewerber an und fragt Sie nach dem Grund der Absage, sollten Sie ebenfalls nicht zu viel sagen und sich nicht in lange Erklärungen verstricken lassen.
Ärgernis AGG-Hopper
Seit es das AGG gibt, gibt es auch die sogenannten AGG-Hopper. Dabei handelt es sich um Scheinbewerber, die sich gezielt auf Stellenausschreibungen bewerben, die nicht AGG-konforme Formulierungen enthalten. Werden Sie abgelehnt, verklagen sie die Unternehmen auf Schadenersatz. AGG-Hopper zu entlarven ist nicht einfach. Denn vor Gericht muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Bewerbung nicht ernst gemeint war, sondern der Bewerber es nur auf die Entschädigung abgesehen hat. Dafür reicht es nicht aus, dem Bewerber nachzuweisen, dass er bereits mehrere Unternehmen wegen AGG-Verstoß verklagt hat. Es muss ihm außerdem bewiesen werden, dass er eine Ablehnung provoziert hat (zum Beispiel durch schlechte Rechtschreibung).
AGG-Verstoß im Bewerbungsgespräch vermeiden
Auch im Bewerbungsgespräch dürfen Sie im Hinblick auf das AGG bestimmte Fragen nicht stellen. Folgende Fragen gehören dazu:
- Fragen zur familiären Situation: Fragen zu Schwangerschaft, Familienplanung oder Heirat sind tabu. Auch zu Verwandten, Familienangehörigen oder Freunden dürfen Sie den Bewerber nicht befragen (zum Beispiel, was diese beruflich machen oder woher sie stammen).
- Fragen zum Privatleben: Sie dürfen nicht nach der sexuellen Orientierung, Vorstrafen oder Schulden fragen, außer es besteht ein berechtigtes Interesse für den Arbeitgeber (zum Beispiel bei Bankangestellten oder Polizisten).
- Fragen zu persönlichen Überzeugungen: Fragen zur politischen Einstellung oder Religionszugehörigkeit sind ebenfalls unzulässig.
- Fragen zur Gesundheit: Sie dürfen den Bewerber nicht zu seinem Gesundheitszustand, Krankheiten oder seiner Krankheitsgeschichte oder die seiner Familie befragen. Auch allgemeine Fragen nach einer Behinderung sind unzulässig.
Tipp:
Hier finden Sie einen ausführlichen Katalog mit unzulässigen Fragen im Bewerbungsgespräch.
Aktueller Fall: Ein Gericht steht selbst wegen Diskriminierung vor Gericht
Ein aktueller Fall zeigt, wie schwer es für Arbeitgeber ist, das Gegenteil zu beweisen, wenn sie wegen Diskriminierung vor Gericht stehen. In diesem bewarb sich ein Mann auf eine vom Oberlandesgericht (OLG) Köln ausgeschriebene Stelle als Gerichtsvollzieher. In seiner Bewerbung wies er auf seine bestehende Behinderung hin sowie auf die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Das OLG lud ihn daraufhin nicht zu einem Vorstellungsgespräch, wozu es aber gemäß Sozialgesetzbuch verpflichtet gewesen wäre. Denn dieses schreibt öffentlichen Arbeitgebern vor, schwerbehinderte Bewerber immer zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen – außer sie wären fachlich für die Stelle komplett ungeeignet.
Der Bewerber verklagte daraufhin das OLG Köln vor dem Arbeitsgericht auf eine Entschädigung von rund 7.400 Euro (drei Monatsgehälter). Das OLG legte vor Gericht dar, dass es den Bewerber nicht wegen seiner Schwerbehinderung sondern wegen eines vollen Outlook-Postfachs und wegen fehlender Absprache zwischen den Mitarbeitern, die für das Bewerbungsverfahren zuständig waren, nicht eingeladen habe. Dadurch sei nämlich die Bewerbung des Klägers im Ablage-Ordner gelandet und gar nicht erst bearbeitet worden. Nachdem das Arbeitsgericht Köln noch geurteilt hatte, dass mit dieser Begründung der Beklagte (das OLG Köln) ausreichend nachgewiesen hat, dass der Grund für die Ablehnung der Bewerbung nicht die Behinderung des Klägers war, sahen es sowohl Landesarbeitsgericht als auch Bundesarbeitsgericht (BAG) anders.
Letztendlich verurteilte das BAG das OLG Köln zu einer Entschädigungszahlung von rund 3.700 Euro (also der Hälfte des ursprünglich verlangten Betrags). Die Begründung: Das Übersehen oder Verlieren einer Bewerbungsmappe oder einer Bewerbungs-Mail sei kein sachlicher Grund, um Ansprüche auszuschließen (BAG, Urteil vom 23.01.2020, Az: 8 AZR 484/18).
AGG Verstoß in Stellenausschreibung: Echter Schadenfall
Auch wir hatten bei exali.de selbst einen Schadenfall auf dem Tisch, in dem einer Agentur die Formulierung „in einem jungen hochmotivierten Team“ in einer Jobanzeige zum Verhängnis wurde. Ein Bewerber fühlte sich diskriminiert und verlangte 7.000 Euro Schadenersatz. Den Fall können Sie hier nachlesen: Vor Gericht, weil in Stellenanzeige „junges Team“ steht! oder sich unser Video dazu ansehen:
AGG Verstoß absichern
Auch wenn Sie niemanden absichtlich diskriminieren wollen, kann ein AGG Verstoß schnell passieren. Eine falsche Formulierung in einer Stellenausschreibung und Sie können vor Gericht landen. Dass Sie es gar nicht so gemeint haben, ist dort schwer zu beweisen und die Gerichte entscheiden meist gegen die Arbeitgeber. Wenn Sie eine Berufshaftpflicht über exali.de abschließen, müssen Sie den Schadenersatz wegen eines AGG-Verstoßes nicht aus eigener Tasche bezahlen. Das macht der Versicherer für Sie und übernimmt außerdem die Anwalts- und Gerichtskosten.
Ihre Berufshaftpflicht können Sie in wenigen Minuten online abschließen. Haben Sie Fragen zur besten Absicherung für Ihre Branche? Dann rufen Sie uns an. Unsere Versicherungsexperten beraten Sie gerne, ganz ohne Callcenter und Warteschleife.